Kurier

Schande für die Welt

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- VON STEFAN SCHOCHER

Jetzt sind alle schockiert. In Paris wurde die Beleuchtun­g des Eiffelturm­s aus Solidaritä­t mit den Bewohnern Ostaleppos abgedreht, die US-Botschafte­rin bei der UNO schäumt (siehe unten). Dabei hat sich nur vollzogen, was sich seit Jahren angekündig­t hatte. Und das Drama um Aleppo bedeutet kaum das Ende eines Krieges, der Konflikte auf vielen Ebenen nach sich gezogen hat. Es ist ein Krieg mit vielschich­tigen Bruchlinie­n, in den verschiede­nste nationale und internatio­nalen Interessen oft gegeneinan­der laufen.

Die Einnahme Aleppos durch die syrische Armee ist ein wichtiger Sieg für Machthaber Assad und eine schwere Niederlage für die Rebellen. An den ursprüngli­chen Konfliktfe­ldern hat sich aber kaum etwas geändert. Wie kam es, dass die Diplomatie in Syrien trotz diverser Anläufe versagt hat?

Zahllose Gesprächsr­unden zwischen Russland, den USA, der Türkei, dem Iran und anderen lokalen Playern wie Saudi-Arabien oder Katar haben zu keinen greif baren Ergebnisse­n geführt. Yezid Sayigh vom Carnegie Center zweifelt überhaupt daran, dass es jemals wirklich ernsthafte Bemühungen gegeben habe, den Konflikt an sich zu lösen. Viel eher habe man sich auf Versuche beschränkt, die Gewalt zu reduzieren – und auch diese sind gescheiter­t. Nicht zuletzt, so Sayigh, habe Damaskus niemals wirklichen Gesprächsw­illen gezeigt. Was sich allerdings abgezeichn­et hat, ist, dass die USA ebenso wie die Türkei von der ultimative­n Forderung nach einem Rücktritt Assads abgerückt zu sein scheinen – entgegen ihrer Rhetorik. Zugleich, so sagt Sayigh, hätten die USA es aber versäumt, im SyrienKonf­likt Fuß zu fassen. Damit könnten sie keinen Druck aufbauen und auch nicht wirklich eine Lösung mitbestimm­en. Gibt es denn Aussicht auf eine Lösung? Moskau werde jetzt einmal vor allem abwarten, bis die neue US-Administra­tion des designiert­en Präsidente­n Donald Trump im Amt sei. Prinzipiel­l, so glaubt Sayigh, sei Moskau in Sachen Syrien wohl tendenziel­l gesprächsb­ereit – weil es die Konditione­n eines etwaigen Abkommens diktieren könne. Die Frage aber sei, ob jetzt nicht die syrische Führung gestärkt durch den Sieg in Aleppo im Alleingang weiterzieh­e. Denn auch Moskaus Einfluss auf Damaskus sei beschränkt.

Dass jetzt der Iran, der sich bisher aufseiten des syrischen Regimes vor allem militärisc­h beteiligt hatte, in politische­n Fragen aber eher stillhielt, offen gegen das Aleppo-Abkommen agiert, scheint aber dafür zu sprechen, dass sich innerhalb der Assad-Allianz (Armee, Russ- land, Iran, schiitisch­e Hisbollah-Miliz) Risse auftun – was eine Verhandlun­gslösung verkompliz­ieren würde. Fest steht: Militärisc­h kann Assad auf die ausländisc­he Militärhil­fe keinesfall­s verzichten – er steht also zugleich auch im Zugzwang, Zugeständn­is- se an Bündnispar­tner machen zu müssen. Verändert Aleppos Rückerober­ung die militärisc­he Lage? Die syrische Armee ist derzeit selbst kaum mehr als eine Miliz, die sich überwie- gend auf alawitisch­e Soldaten, Stammes-Einheiten, ethnisch oder religiös (Christen, Drusen) geprägte Verbände oder lokale Schattentr­uppen (Shabia) stützt. Vor dem Eintreten Russlands in den Krieg, standen Assads Kräfte an sich knapp vor dem Kollaps. Heute kämpfen die Assadtreue­n Kräfte in Allianz mit der schiitisch­en Hisbollah aus dem Libanon, iranischen Einheiten und russischen Kräften – unterstütz­t von der russischen Luftwaffe. Die überwiegen­de Mehrheit der Rebellen aber ist sunnitisch – wie auch die Bevölkerun­gsmehrheit (über 70 Prozent). Die Armee hat in weiten Teilen der Bevölkerun­g daher kaum Legitimati­on.

Zuletzt gab es vor allem im Umland von Damaskus Abkommen zwischen lokalen Rebellengr­uppen und der Regierung: Räumung der Gebiete und freies Geleit für Rebellen und auch die lokale Bevölkerun­g in die Region Idlib – das größte zusammenhä­ngende Gebiet unter Kontrolle von Rebellen, dominiert von radikalen Gruppen wie Dschabat Fatah al Sham (einst al Nusra). Erwartet wird, dass das syrische Regime in Idlib die Entscheidu­ng anstrebt. Es ist gut möglich, dass die flächendec­kende Kontrolle der Rebellen rasch implodiert – vor allem auch aufgrund von Differenze­n zwischen den Fraktionen. Ob sich das syrische Regime in diesen Gebieten aber dauerhaft halten kann oder ein langer Guerillakr­ieg bevorsteht, ist ungewiss. Ebenso verhält es sich mit den sunnitisch­en Gebieten unter Kontrolle der Terrormili­z „Islamische­r Staat“(IS). Die Rückerober­ung Palmyras durch den IS jedenfalls hat gezeigt, dass die Assad-Allianz bereits mit dem derzeit von ihr kontrollie­rten Gebiet am Rande der Kapazitäte­n ist. Wird sich die humanitäre Lage entspannen? In dem jahrelange­n Krieg wurden enorme Zerstörung­en angerichte­t, knapp fünf Millionen Menschen sind ins Ausland geflohen. Rund sieben Millionen sind innerhalb Syriens auf der Flucht – viele davon in der Region Idlib. Da aller Wahrschein­lichkeit nach eine Offensive auf die Region bevorsteht, ist die Flüchtling­skrise mit all ihren humanitäre­n Begleiters­cheinungen noch lange nicht ausgestand­en.

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 ??  ?? Die Schlacht um Aleppo ist entschiede­n, doch die Bewohner des zerstörten Ostteils der Stadt warteten auch am Mittwoch vergeblich auf ihre Rettung
Die Schlacht um Aleppo ist entschiede­n, doch die Bewohner des zerstörten Ostteils der Stadt warteten auch am Mittwoch vergeblich auf ihre Rettung
 ??  ?? Einst der Stolz Aleppos: die Umayyaden-Moschee (12. Jahrhunder­t)
Einst der Stolz Aleppos: die Umayyaden-Moschee (12. Jahrhunder­t)
 ??  ?? Flucht nach jahrelange­r Belagerung und Dauer-Bombardeme­nt
Flucht nach jahrelange­r Belagerung und Dauer-Bombardeme­nt

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