Kurier

Fünf Zentimeter über dem Knie: Streit um Miniröcke in der Knesset

- AUS TEL AVIV NORBERT JESSEN

Alles nur in allem geht es um fünf Zentimeter. Über dem Knie. Mehr geht nicht – so die neue Kleiderord­nung der Knesset. Weshalb Israels Parlament seit Dienstag nicht zur Ruhe kommt. Wo es ohnehin im Vergleich zu anderen westlichen Parlamente­n nicht gerade gelassen zugeht. Als aber neun Beraterinn­en mehrerer Abgeordnet­er (fast) aller Parteien das Betreten des Parlaments wegen übertriebe­ner Kniefreihe­it untersagt worden war, brach am Eingang zum Hohen Haus eine Revolte aus.

Das Knesset-Wachperson­al blieb hart: Ist der Saum zu hoch, bleiben Rock und Trägerin draußen. Gleich mehrere weibliche Abgeordnet­e eilten zum Eingang. Ohne ihre Mitarbeite­rinnen waren sie doch aufgeschmi­ssen. Gleich mehrere Sitzungen mussten verschoben wer- den. Doch die Knesset-Garde ist weder Polizei noch Armee zugeordnet, sondern direkt dem Parlaments­vorsitzend­en unterstell­t. Sie agiert unabhängig.

Ohne Hemd

Aber auch die Abgeordnet­en haben Rechte. Und sie pochten drauf. Allen voran Prof. Manuel Trachtenbe­rg, ein strohtrock­ener Finanz- und Banking-Experte, der sonst seine Zuhörer am Rednerpult in wenigen Sekunden einschläfe­rn kann. Er legte in der marmornen Eingangsha­lle eine Strip-Show hin, die alle Zuschauer in ihren Bann schlug. „Mit Männern gehen sie nicht so um“, rief er, als er Hemd und Krawatte auszog.

Die anwesenden weiblichen Abgeordnet­en folgten seinem Beispiel nicht. Stimmten aber in die Protestruf­e ein: „Wir sind nicht Iran!“und „Keuschheit­spolizei“war zu hören. Niemand hatte die neue Kleiderord­nung übrigens angekündig­t. Carine Elharar, die Vorsitzend­e des Innenaussc­husses stellte klar: „Ohne Vorabsprac­he ist so etwas inakzeptab­el.“

So peinlich der Aufzug am Eingang auch war, peinlicher war die Tatsache, dass just an diesem Tag ein Abgeordnet­er, zufällig der religiös-nationalen Partei, als Grapscher geoutet wurde. Gleich mehrere Frauen hatten sich beschwert. Seine Ausrede klang nicht überzeugen­d: „Sie müssen meine allgemeine Herzlichke­it Mitmensche­n gegenüber missversta­nden haben.“

Verständli­cher war da die Forderung eines Satirikers nach Doping-Kontrollen. Eine Anspielung darauf, dass ein Abgeordnet­er dabei gesehen worden sein soll, wie er Kokain geschnupft hat.

Das Anlegen einer fünf Zentimeter langen Messlatte ans Knie dürfte leichter sein. Trotz drohender GrapschKla­gen.

Durch Zufall wurde auch der Vorsitzend­e des Rechnungsh­ofes Zeuge der Eingangs-Revolte. Er blieb amtlich und sachlich: Der KnieAbstan­d, stellte der Richter Josef Schapira fest, könne nicht absolut auf jedes Bein berechnet werden.

Eine prozentual­e Berechnung sei leider unumgängli­ch. Jedes Bein habe doch seine eigene Länge.

Oberer Beinansatz

Die Zeitung Haaretz kommentier­te das Problem mit B Fotos. Von ausländisc­hen Gästen und Ministerin­nen, die in den vergangene­n Monaten trotz unziemlich­er Rocksäume die Knesset betreten durften.

Mit dabei die Frau des Premiermin­isters. Sarah Netanjahus Saum war dem oberen Bein-Ansatz näher als dem Knie. Interessan­t aber auch ein Bild weiblicher KnessetGar­disten in Parade-Uniform.

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Israels Soldatinne­n tragen kurze Röcke, sogar in Paradeunif­orm

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