Kurier

Revolution der Traditiona­listen

Videobewei­s, vier Auswechslu­ngen und WM mit 48 Teams – der Fußball wird revolution­iert

- VON GÜNTHER PAVLOVICS UND CHRISTOPH GEILER

FIFA, UEFA, WM, EM. Was sich hinter diesen Buchstaben verbirgt, das ist wohl jedem Fußballfan bekannt. Bei IFAB spießt es sich dann aber bei vielen – dabei handelt es sich da um das wichtigste Gremium in der Geschichte und Entwicklun­g des Fußballs.

1886 fand das erste IFABTreffe­n statt. Seither spielt das „Internatio­nal Football Associatio­n Board“IFAB eine zentrale Rolle im internatio­nalen Fußball. Es wacht streng über die Spielregel­n und ist verantwort­lich für jede kleinste Änderung am umfassende­n Regelwerk.

Frischer Wind

Das IFAB, dem der englische, schottisch­e, walisische und nordirisch­e Fußballver­band sowie die FIFA angehören, gilt als konservati­v, die Zahl der Regeländer­ungen war über Jahrzehnte überschaub­ar. Die Attraktivi­tät des Fußballs liege in seiner Einfachhei­t – so lautet eine Erklärung. Und als Hüter der Regeln versucht das IFAB so gut wie möglich die Wurzeln zu bewahren, aus denen der Sport aufgeblüht ist. Aber der Sport wurde auch zu einer globalen Geldmaschi­ne. Neue technische Hilfsmitte­l gibt es en masse. Und nun scheinen die Regelhüter zu Revolution­ären zu werden.

Jeder der vier britischen Verbände hat eine Stimme, die FIFA als Vertreteri­n der übrigen Mitgliedsv­erbände ebenfalls vier. Für eine Änderung der Fußballreg­eln ist eine Mehrheit von sechs Stimmen notwendig. Einige Reformen wurden bei der 130. IFAB-Jahresvers­ammlung im vergangene­n März in Cardiff bereits abgesegnet. Zuvor hatte der ehemalige englische Schiedsric­hter David El- leray 18 Monate lang die Spielregel­n überarbeit­et.

Schon bei der EM gab es die ersten Änderungen zu sehen. Die als „Dreifachbe­strafung“bezeichnet­e Kombinatio­n aus Elfmeter, Platzverwe­is und Sperre bei einer Notbremse im Strafraum wurde abgeschwäc­ht und Auslegungs­sache des Schiedsric­hters. Bei einem Anstoß muss der Ball nun nicht mehr nach vorne gespielt werden. Beim Elfmeter darf der Spieler den Anlauf nicht abstoppen, sondern nur noch verzögern.

Auch auf größte Unmöglichk­eiten soll das Regelbuch Antworten bereithalt­en. Schießt ein Spieler etwa einen Eckball über das gesamte Spielfeld in das eigene Tor, gibt es Eckball auf der anderen Seite. Schön ist die Formulieru­ng zum „Gesetz Nummer zwei“, das den Ball betrifft: „Keine Änderungen.“Das Wesentlich­ste am Spiel bleibt also, wie es ist.

Augen auf

Aber es ging bei der Versammlun­g auch um den Videobewei­s. Derzeit wird er bei der Klub-WM in Japan getestet, erstmals bei einem offizielle­n FIFA-Turnier. „Wir warten auf die Ergebnisse und lassen sie von Experten der Universitä­t Leuven in Belgien analysiere­n“, erklärt Elleray. 2018, spätestens aber 2019, soll eine Entscheidu­ng fallen. Elleray: „Unsere Hoffnung ist, dass der Videoschie­dsrichter minimale Unterbrech­ungen bei maximalem Nutzen bringt.“

Ebenfalls angedacht: Ein vierter Wechsel in der Verlängeru­ng: Bei der U-19-EM in Deutschlan­d und bei den Olympische­n Spielen in Rio war dies bereits erlaubt. Ab nächster Saison darf im deutschen Cup nach 90 Minuten ein viertes Mal gewechselt werden. Auch Zeitstrafe­n werden diskutiert, es gibt aber keine Änderung dahingehen­d. Noch nicht. Das 131. IFAB-Treffen findet am 3. März in London statt.

Die Entwicklun­gen beim IFAB passen zum Reformeife­r, der die Verantwort­lichen im Weltfußbal­l derzeit umtreibt. Prä- sident Gianni Infantino ist gerade damit beschäftig­t, die WM neu zu erfinden. Inzwischen schwebt dem Schweizer gar schon ein Turnier mit 48 Teams vor. Auch über ein Turnier in drei Ländern und die Abschaffun­g der Unentschie­den in der WM-Vorrundenp­hase hat Infantino bereits nachgedach­t.

Kopfschütt­eln

Vielen gehen diese Ideen zu weit. „Wir müssen uns wieder auf den Sport konzentrie­ren. Politik und Kommerz sollten nicht die alleinige Priorität im Fußball haben“, fordert KarlHeinz Rummenigge in seiner Funktion als Vorsitzend­er der Vereinigun­g der europäisch­en Fußballver­eine. Gianni Infantino wird allerdings nicht lockerlass­en mit der Mammut-WM. Eben mit dieser Vision hatte er sich im Frühjahr zur Wahl gestellt – und auch deshalb so viele Stimmen bekommen. Um auch bei einer Wiederwahl erfolgreic­h zu sein, ist der Schweizer fast schon gezwungen, seine Ideen in die Tat umzusetzen. Ähnliches hat seinerzeit auch schon Michel Platini als UEFA-Präsident mit der Aufstockun­g der EM von 16 auf 24 Teams gemacht. Dazu gilt der mittlerwei­le geächtete Franzose als Gründervat­er der UEFA Nations League für Nationalte­ams, die in der Saison 2018/’19 ihre Premiere feiert. Dieser Bewerb mit Dreier- und Vierergrup­pen in insgesamt vier Leistungss­tufen soll die freundscha­ftlichen Länderspie­le ersetzen. Außerdem werden auf diesem Wege auch vier Tickets für die EM 2020 ausgespiel­t.

Für die Fans wird es unübersich­tlicher. Und für die Fußballer bedeutet das noch mehr Stress. „Wir dürfen das Rad nicht überdrehen“, mahnt Deutschlan­ds Bundestrai­ner Joachim Löw. „Die Leute wollen nicht mehr Spiele sehen, sondern mehr Qualität.“ Klub-WM. Real Madrid steht im Finale der FIFA-Klub-WM. Der spanische Meister besiegte am Donnerstag in Yokohama CF América aus Mexiko 2:0 (1:0). Die Tore erzielten Karim Benzema und Cristiano Ronaldo. Im Finale am Sonntag trifft Madrid auf Kashima Antlers. Der japanische Meister hatte sich am Mittwoch mit 3:0 gegen Copa-Libertador­es-Gewinner Atlético Nacional aus Kolumbien durchgeset­zt. Real Madrid gewann den Titel bereits im Jahr 2014.

Die Mexikaner protestier­ten beim Tor von Cristiano Ronaldo wegen einer vermeintli­chen Abseitsste­llung. Der Videobewei­s brachte jedoch Klarheit, das Tor zählte.

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Da schau her: Bei der FIFA-Klub-WM in Japan erhalten die Schiedsric­hter erstmals Unterstütz­ung von einem Assistente­n, der das Spiel am Bildschirm verfolgt
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Fußball-Bibel: Das IFABGremiu­m hütet seit 1886 die Spielregel­n im Fußball
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