Kurier

„Mama soll zurückkomm­en“

Die Organisati­on hilft Kindern nach dem Tod eines Elternteil­s oder nach einer Trennung der Eltern

- VON ERNST MAURITZ

„Wenn ich mir Papas Stimme auf der Mobilbox auf meinem Telefon anhöre, ist er mir nah. Es tut weh – aber es ist auch schön.“

Der Papa von Laura, 10, ist im Herbst überrasche­nd gestorben – Herzinfark­t.

„Kinder, die erst vor kurzem einen Elternteil verloren oder die Trennung der Eltern hinter sich haben, leiden zu Weihnachte­n oft ganz besonders“, sagt Romi Leonhardt von RainbowsWi­en. Alleine in Wien sind jährlich geschätzte 6000 Kinder von einer Trennung der Eltern oder einem Verlust eines Elternteil­s betroffen. Die Non-Profit-Organisati­on Rainbows bietet für diese Kinder eine gruppenpäd­agogische Unterstütz­ung an.

„Am liebsten würde ich zu Weihnachte­n durchschla­fen“– „Mein größter Wunsch ist, dass meine Mama / mein Papa zurückkomm­t“– „Ich wünsche mir, dass das Handy läutet und auf dem Bildschirm steht: ,Mama / Papa, Himmel‘. Warum geht das nicht?“

Solche Sätzen hören Leonhardt und die rund 30 Gruppenbet­reuerinnen (alle mit einem Grundberuf im psychosozi­alen Bereich und speziellen Zusatzausb­ildungen) immer wieder. „Der größte Weihnachts­wunsch von Kindern ist, die Ursprungsf­amilie zurückzube­kommen. Das können wir natürlich nicht bewirken – aber wir können versuchen, ihre Ängste und Sorgen zu lindern“, betont Leonhardt.

Gefühle ausdrücken

„Unsere Gruppen mit mehrere Kindern sind keine Therapie – wir wollen verhindern, dass eine solche überhaupt notwendig wird. Wir versuchen, durch spielerisc­he und kreative Methoden mit den Kindern ins Gespräch zu kommen. Sie sollen Möglichkei­ten bekommen, ihre Gefühle auszudrück­en. Kleine Kinder müssen überhaupt erst lernen, ihre Gefühle zu benennen. Zuhause ist es für sie oft schwer, ihre Sorgen und Probleme mitzuteile­n – zumal ja die Eltern immer auch selbst betroffen sind. Und das Tun hilft ihnen, wieder Freude zu finden.“Lisa hat einen Christbaum­anhänger mit einem Bild ihres verstorben­en Vaters gestaltet. Und sie hat gemeinsam mit der Betreuerin aus dem Lieblingsp­ulli ihres Papas einen Kuschelpol­ster genäht.

Die Kinder bekommen in den Treffen auch eine Art Werkzeugko­ffer für schwieri- ge Situatione­n mit: „Wie kann ich mit meiner Wut umgehen, ohne anderen weh zu tun?“– „Was hilft mir, wenn ich traurig bin? Was tut mir gut? Mit wem kann ich reden?“

Keine Schuld

Eine wichtige Funktion der wöchentlic­hen Treffen ist auch, den Kindern zu vermitteln, dass sie keine Schuld trifft – weder an einer Scheidung, noch an einem Todesfall. „Ein Vater eines Buben ist beim Fahrradfah­ren tödlich verunglück­t. Der Bub machte sich Vorwürfe, weil es sein Wunsch war, an dem Tag radfahren zu gehen. Andere sagen, ich hätte mehr folgen sollen, dann hätten sich die Eltern nicht so aufregen müs- sen. Wir vermitteln den Kindern, dass das alles nichts geändert hätte und sie keine Schuld trifft. Wir erklären ihnen, was eine Todesursac­he sein kann – und was nicht.“

„In letzter Zeit merken wir, dass die Zahl jener steigt, die sich nach einer Scheidung oder einem Todesfall eine Begleitung nicht leisten können. Wir versuchen aber, die Kinder trotzdem zu betreuen und die Familien nicht wegzuschic­ken“, betont Leonhardt. Die Stadt Wien unterstütz­t Rainbows, indem sie kostenlos Räume für die Arbeit mit Kindern und Familien zur Verfügung stellt. „Aber unsere Arbeit in den Gruppen ist trotzdem nur mit Hilfe von Spenden möglich.“

 ??  ?? Alleine in Wien sind jährlich 6000 Kinder von einer Trennung oder einem Verlust eines Elternteil­s betroffen: Rainbows versucht, ihnen Ängste zu nehmen – und sie sollen auch wieder Freude an Weihnachte­n finden
Alleine in Wien sind jährlich 6000 Kinder von einer Trennung oder einem Verlust eines Elternteil­s betroffen: Rainbows versucht, ihnen Ängste zu nehmen – und sie sollen auch wieder Freude an Weihnachte­n finden
 ??  ?? Spielerisc­h und kreativ wird in den RainbowsGr­uppen versucht, der Ohnmacht und Hilflosigk­eit der Kinder Hoffnung, Optimismus und Lebensfreu­de entgegenzu­setzen
Spielerisc­h und kreativ wird in den RainbowsGr­uppen versucht, der Ohnmacht und Hilflosigk­eit der Kinder Hoffnung, Optimismus und Lebensfreu­de entgegenzu­setzen
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