Schauen, wie die Zeit vergeht
Mit Babette Mangolte und Sarah Morris dominieren Film und Fotografie das Winterprogramm
Sechs Stunden und dreiundvierzig Minuten braucht es, um wirklich alles zu sehen. Wer „I = Eye“, die ab Samstag geöffnete Werkschau der Künstlerin Babette Mangolte (bis 12. 2.), im gewohnten Ausstellungs-Flanier-Modus betritt, sieht nämlich stets nur Teile: Einige Projektionsf lächen bleiben dunkel, Wände, an denen Fotos hängen, bleiben unbeleuchtet.
Mehrfachbelichtung
Es ist eine durchaus stimmige Präsentationsweise für eine Künstlerin, die den Fokus in ihrer über 40-jährigen Lauf bahn öfters mal da-, mal dorthin legte: Als Filmemacherin schuf die in 1941 in Paris geborene und 1970 nach New York übersiedelte Mangolte eigene experimentelle Arbeiten, war aber auch als Kamerafrau für Größen wie Chantal Akerman und Yvonne Rainer im Einsatz. Als Fotografin machte sich Mangolte mit Standaufnahmen des New Yorker AvantgardeTheaters einen Namen.
Der von Luca Lo Pinto kuratierten Zusammenschau in der Kunsthalle gelingt es nun auch in kürzerer Betrachtungszeit, jene selbstkritische Haltung gegenüber Bil- dern zu transportieren, die sich durch das Werk Mangoltes zieht. So lässt sich in einem Raum, in dem Theaterfotos der 1970er versammelt sind, überprüfen, wie sich ein Bild ins Gedächtnis frisst: Einer Galerie ausgewählter Fotos ist hier ein Wühltisch gegenübergestellt, auf dem Abzüge oft ähnlicher, aber nicht identer Aufnahmen in unterschiedlichen Größen durcheinandergewürfelt sind.
Oft stellt Mangolte Serien ähnlicher Bilder zusammen und macht damit das Vergehen der Zeit eindrücklich sichtbar; immer wieder wird die eine, „gültige“Perspektive relativiert.
Hinreißend ist auch eine Diashow, in der jedes Bild den Ausschnitt eines Gemäldes zeigt und das Kunstwerk ähnlich „abtastet“, wie es der eigene Blick im Museum tun würde: Anders als bei perfek- ten Reproduktionen sieht man bei Mangolte auch Spiegelungen, Unebenheiten und andere Dinge, die ein Gemälde ebenfalls ausmachen.
Bildkritik und Image
Dass der künstlerische Blick per se ein kritischer, analytischer ist, wird auch Sarah Morris unterstellt: Ihr Film „Strange Magic“läuft bis 8. 1. im Obergeschoß der Kunsthalle. Allein: Es bedarf großer Anstrengung, in den hyperästhetisierten Bildern, die hier auf die Breitwand der Halle projiziert werden, die kritische Note zu erkennen. Der Film ist eine Auftragsarbeit der Fondation Louis Vuitton, die sich von Star-Architekt Frank Gehry ein Museum in den Pariser Bois de Boulogne setzen ließ; Morris kombiniert Bilder vom Baugeschehen mit Aufnahmen der Parfümproduktion des Luxuskonzerns und Bildern des Eiffelturms.
Aus der Kombination ergibt sich aber keine weitere Einsicht als jene, dass Morris auch noch einen Stahlbetonbrocken schick aussehen lassen kann. In anderen Filmen der Künstlerin soll mehr Reibung vorhanden sein – die Gelegenheit, dies zu überprüfen, ergibt sich an ausgewählten Filmabenden in der Halle.