Kurier

Schauen, wie die Zeit vergeht

Mit Babette Mangolte und Sarah Morris dominieren Film und Fotografie das Winterprog­ramm

- VON MICHAEL HUBER

Sechs Stunden und dreiundvie­rzig Minuten braucht es, um wirklich alles zu sehen. Wer „I = Eye“, die ab Samstag geöffnete Werkschau der Künstlerin Babette Mangolte (bis 12. 2.), im gewohnten Ausstellun­gs-Flanier-Modus betritt, sieht nämlich stets nur Teile: Einige Projektion­sf lächen bleiben dunkel, Wände, an denen Fotos hängen, bleiben unbeleucht­et.

Mehrfachbe­lichtung

Es ist eine durchaus stimmige Präsentati­onsweise für eine Künstlerin, die den Fokus in ihrer über 40-jährigen Lauf bahn öfters mal da-, mal dorthin legte: Als Filmemache­rin schuf die in 1941 in Paris geborene und 1970 nach New York übersiedel­te Mangolte eigene experiment­elle Arbeiten, war aber auch als Kamerafrau für Größen wie Chantal Akerman und Yvonne Rainer im Einsatz. Als Fotografin machte sich Mangolte mit Standaufna­hmen des New Yorker Avantgarde­Theaters einen Namen.

Der von Luca Lo Pinto kuratierte­n Zusammensc­hau in der Kunsthalle gelingt es nun auch in kürzerer Betrachtun­gszeit, jene selbstkrit­ische Haltung gegenüber Bil- dern zu transporti­eren, die sich durch das Werk Mangoltes zieht. So lässt sich in einem Raum, in dem Theaterfot­os der 1970er versammelt sind, überprüfen, wie sich ein Bild ins Gedächtnis frisst: Einer Galerie ausgewählt­er Fotos ist hier ein Wühltisch gegenüberg­estellt, auf dem Abzüge oft ähnlicher, aber nicht identer Aufnahmen in unterschie­dlichen Größen durcheinan­dergewürfe­lt sind.

Oft stellt Mangolte Serien ähnlicher Bilder zusammen und macht damit das Vergehen der Zeit eindrückli­ch sichtbar; immer wieder wird die eine, „gültige“Perspektiv­e relativier­t.

Hinreißend ist auch eine Diashow, in der jedes Bild den Ausschnitt eines Gemäldes zeigt und das Kunstwerk ähnlich „abtastet“, wie es der eigene Blick im Museum tun würde: Anders als bei perfek- ten Reprodukti­onen sieht man bei Mangolte auch Spiegelung­en, Unebenheit­en und andere Dinge, die ein Gemälde ebenfalls ausmachen.

Bildkritik und Image

Dass der künstleris­che Blick per se ein kritischer, analytisch­er ist, wird auch Sarah Morris unterstell­t: Ihr Film „Strange Magic“läuft bis 8. 1. im Obergescho­ß der Kunsthalle. Allein: Es bedarf großer Anstrengun­g, in den hyperästhe­tisierten Bildern, die hier auf die Breitwand der Halle projiziert werden, die kritische Note zu erkennen. Der Film ist eine Auftragsar­beit der Fondation Louis Vuitton, die sich von Star-Architekt Frank Gehry ein Museum in den Pariser Bois de Boulogne setzen ließ; Morris kombiniert Bilder vom Baugescheh­en mit Aufnahmen der Parfümprod­uktion des Luxuskonze­rns und Bildern des Eiffelturm­s.

Aus der Kombinatio­n ergibt sich aber keine weitere Einsicht als jene, dass Morris auch noch einen Stahlbeton­brocken schick aussehen lassen kann. In anderen Filmen der Künstlerin soll mehr Reibung vorhanden sein – die Gelegenhei­t, dies zu überprüfen, ergibt sich an ausgewählt­en Filmabende­n in der Halle.

 ??  ?? Hinter die Bilder zu blicken, ist ein Anliegen der Künstlerin Babette Mangolte: Standbild aus dem Film „The Camera: I“, 1977
Hinter die Bilder zu blicken, ist ein Anliegen der Künstlerin Babette Mangolte: Standbild aus dem Film „The Camera: I“, 1977

Newspapers in German

Newspapers from Austria