Im Dreißigjährigen Krieg“
die glauben, dass man sich wieder mehr aufs Christentum besinnen muss.
Aber genau diese Situation hat zur Auf klärung geführt. Das Christentum musste seinen Weg in einem mühsamen Prozess finden, was letztlich erst im 20. Jahrhundert gelungen ist: in der ökumenischen Bewegung des aufeinander Zugehens und mit der wirklichen Akzeptanz der Religionsfreiheit. Wie kommen wir zu einem westfälischen Frieden ohne Dreißigjährigen Krieg?
Wir sind mitten im Dreißigjährigen Krieg, in einem Konflikt, der den Nahen Osten zerreißt. Ob in Jemen oder in Syrien: Das sind Schlachtfelder dieses Hegemonialkonfliktes. Solange es im Nahen Osten keinen Frieden gibt, werden wir die Auswirkungen spüren.
Die Lösung liegt auch in der innerislamischen Entwicklung. Die Religionsparteien im Islam müssen einander tolerieren lernen. Solange sie es nicht tun und es Kriege gibt, werden Muslime zu uns flüchten.
Das ist eine sehr berechtigte Sorge. Der Konflikt ist natürlich globalisiert. Experten halten es für die tiefste Krise, die der Islam in seiner Geschichte durchlebt. Wir können nicht so tun, als wären wir die neutralen Zuseher. Denn natürlich ist auch der Westen massiv am Entstehen dieses Konfliktes beteiligt. Denken Sie nur an die ganze Kolonialgeschichte ... ... oder Waffenlieferungen.
Alle großen Waffenschmieden liefern fleißig ihre Waffen in die Kriegsregionen des Nahen Ostens. Halten Sie den Islam für eine friedliche Religion? Gerade die Christen werden oft brutal von radikalen Muslimen verfolgt.
Alle Religionen haben ein Gewaltpotenzial. Manche sagen: besonders die monotheistischen, weil sie einen Absolutheitsanspruch erheben. Obwohl ja alle an den einen Gott glauben. Oder gerade deswegen?
Gewalt gibt es aber auch in polytheistischen Religionen. Wir erleben zur Zeit etwa im Hinduismus eine politische Radikalisierung, die ja auch in Indien zu starken Christen- und Muslimenverfolgungen geführt hat. In Sri Lanka gibt es einen radikalen Buddhismus. Mit diesem Gewaltpotenzial müssen sich die Religionen – ähnlich wie in der Zeit der Auf klärung – konfrontieren. Papst Benedikt hat gesagt, die Auf klärung habe dem Christentum gutgetan, das sei ein Reinigungsprozess gewesen. Aber wie erklären wir das fundamentalistischen Saudi-Prinzen?
Das sind lange Prozesse. Ich glaube, dass das Christentum die Fähigkeit der Selbstregeneration hat. Und es gibt fundamentale Gemeinsamkeiten zwischen allen Religionen: Der Mensch ist ein homo religiosus – ein auf Gott hin offenes Wesen. Es hat im Islam wunderbare Mystiker gegeben. Und Jesus ist dort ein Prophet.
Warum soll es nicht auch im Islam Regenerationskräfte geben, die eine wirkliche spirituelle Erneuerung und ein klares Nein gegenüber der Gewaltanwendung bringen? Ich hege zumindest diese Hoffnung. Die Caritas hilft Flüchtenden, aber viele Kritiker sagen: Es werden zu viele Muslime ins Land geholt. Außerdem unterwerfen sich die christlichen Kirchen anderen Religionen – wie unlängst der deutsche Kardinal Reinhard Marx, der am Tempelberg in Jerusalem sein Kreuz ablegte.
Die österreichische Bischofskonferenz war ebenfalls auf offiziellem Besuch am Tempelberg – selbstverständlich alle mit unseren Brustkreuzen. Wir haben das Gewand nicht geändert, wir waren wir selber. Es gab aber einen ziemlichen Skandal, weil uns der Oberrabbiner von der Klagemauer ausrichten ließ, dass wir nicht hinkönnen, wenn wir die Brustkreuze nicht abnehmen. Darauf hin sind wir in Entfernung auf dem Publikumspodest stehengeblieben und haben von dort am Gebet teilgenommen. Unsere Behandlung hat aber ziemliche Empörung in Israel ausgelöst.