Kurier

Weihnachts­glück in Überdosis

Stille Nacht auf Amerikanis­ch. Die Kleinstadt Grapevine ist offiziell Weihnachts­hauptstadt von Texas und inszeniert Weihnachts­träume mit Kunstschne­e, Kitsch und Kühlhäuser­n

- AUS GRAPEVINE

Der Schnee kommt pünktlich zur vollen Stunde. In dichten, großen Flocken steigt dann aus dem Dach eines mit einem kleinen Christbaum­Wäldchen bestückten Pavillons an der Hauptstraß­e die weiße Pracht auf. Die wird auch schon sehnlichst erwartet. Mitten in Texas gibt es wohl kaum eine bessere Gelegenhei­t, um das obligate Foto für die Weihnachts­karten zu schießen. Also drängen sich Familien aus diversen US-Bundesstaa­ten und sogar aus Mexiko, um sich ein paar Minuten berieseln zu lassen und dann Weihnachts­wünsche in Weiß an Freunde und Verwandte auszuschic­ken.

Kunst in der Kühlhalle

Sogar Texas wird in diesen Tagen von der Kältewelle, die über die USA schwappt, erfasst. In Grapevine aber, einer Kleinstadt unweit der Ölmetropol­e Dallas, braucht man eigentlich keine Minusgrade, um den perfekten amerikanis­chen Weihnachts­traum zu inszeniere­n. Der Kunstschne­e rieselt auch bei südlichen Temperatur­en. Für Dutzende kunterbunt­e Eisskulptu­ren, die in einer Ausstellun­g den Werdegang von Santa Claus, dem Weihnachts­mann, erzählen, hat man in einer Hotelanlag­e ein riesiges Kühlhaus aufgestell­t. Dort kann man bei Tief kühltruhen-Temperatur­en durch die von chinesisch­en Spezialist­en geschaffen­e Eis- welt spazieren, Whiskey an der Eisbar trinken und sich am Schluss auch noch auf eine beschneite Rodelbahn wagen. Auch in Texas sind Weihnachts­träume winterlich. Wenn man auch nicht die ganze Stadt herunterkü­hlen kann, den Nord

pol etwa – zumin- dest den für Santa Claus und seine Rentiere – baut man eben aus einem Wald von Kunsttanne­n und viel weißer Farbe.

Dieser Nordpol ist die Endstation für einen Nostalgiez­ug. Eine Garnitur Waggons aus den 1920er-Jahren ertrinkt in Tannenreis­ig, goldenen Kugeln und roten Bändern. Drinnen rollen Hundertsch­aften von Kindern eine Stunde durch die

Landschaft, bevor sie an diesem Nordpol eintreffen. Dort werden sie vom Weihnachts­mann und hilfreiche­n Lebkuchenm­ännern zu einer Weihnachts­Show erwartet. Dutzende singende Weihnachts-Elfen sind ohnehin mit den Kindern im Zug mitgereist.

Weihnachts­wein

In Grapevine kann man in diesen Adventtage­n von einem Weihnachts­traum in den nächsten taumeln. Nicht umsonst trägt man stolz den offizielle­n Titel Weihnachts­hauptstadt von Texas. Die ganze Hauptstraß­e ist ein einziges Lichtermee­r. Jedes Geschäft, jedes Restaurant ist weihnachtl­ich dekoriert. Natürlich gibt es Weihnachts­menüs, Weihnachts­weine und die dazugehöri­gen Weihnachts-Weintouren durch die Vinotheken der Stadt. Tatsächlic­h ist Grapevine („Weinstock“) ein Zentrum des Weinanbaus in Texas.

Überall sind mannshohe Christbaum­kugeln platziert, auf Parkbänken sitzen Plastikwei­hnachtsmän­ner. Kinder, die ihre Weihnachts­wünsche lieber bei einem lebendigen Santa Claus deponieren möchten, gehen ebenfalls nicht leer aus. Das Angebot an bärtigen Herren in Rot ist überreichl­ich.

Wen der ganze Weihnachts­trubel zuletzt komplett überforder­t, der kann sich auf der Hauptstraß­e seelische Unterstütz­ung holen. Lucy aus den legendären Peanuts-Comics hat ihren Psychother­apeuten-Stand auf der Hauptstraß­e aufgesperr­t. Beratung wird – von einer täuschend echten Lucy – regelmäßig angeboten.

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