Nachruf auf die Stadt mit vielen Namen
Aleppo. Die nach langer Belagerung gefallene syrische Metropole war einst ein schillernder Ort – er ist gestorben
Aleppo hat viele Namen – auf Arabisch, Kurdisch, Türkisch, Armenisch. Die Stadt war Heimat von Sunniten, Schiiten, armenischen Christen, von Arabern, Kurden, Armeniern und Turkmenen, die dem Ort alle ihre Eigenheiten verliehen. Es gab Märkte, Theater, Straßencafés, mondäne Flaniermeilen. Aleppo, das war ein Mikrokosmos, ein Cocktail: Zugleich aber auch eine Verdichtung von Parallelgesellschaften, die gegeneinander sehr oft große Skepsis an den Tag legten. Vorbehalte, die im Zuge der sich stets zuspitzenden Ereignisse 2012 sehr rasch in offene Feindschaft umschlugen.
Aus der Stadt, deren heimliches Maskottchen der Yellow Man war – ein Herr, der stets in feinstem Tuch bestens, aber immer ganz in Gelb gekleidet durch die Stadt zog –, wurde das Stalingrad Syriens. Manche in Aleppo hassten den Yellow Man. Manche dachten, er sei ein Zuhälter oder ein Mafioso. Andere sahen in ihm einen schrägen Exzentriker. Er selbst sagte in einem Interview einmal, Gelb sei einfach eine Farbe, die Menschen Freude gebe. Eines Tages geriet der Yellow Man in die Hände von Rebellen. Vor laufender Kamera wurde er verprügelt, beschimpft, bespuckt. Danach wurde er zwar noch gesehen. Doch die Meldungen über seine Sichtungen waren jeweils mit einem vielsagenden Zusatz versehen: Er lebt noch.
Weltkulturerbe
Jetzt, nach vier Jahren Krieg, unfassbarem Leid auf allen Seiten der Fronten, Tod und weitreichenden Zerstörungen quer durch die als UNESCO-Weltkulturerbe deklarierte Altstadt ist von der einstigen Vielfalt, die Aleppo in sich barg, nichts mehr übrig. „Wie werden wir jemals wieder zusammenleben können?“Das ist die Frage, die sich ein Bewohner WestAleppos stellt. Denn auch wenn dort, im über Jahre von der Regierung gehaltenen Teil der Stadt, die Schäden geringer sind – die Wunden, die vier Jahre Krieg gerissen haben, sind ebenso tief. Und so ist der traurige Schluss, den der Bewohner Aleppos zieht, dass diese Stadt, so wie sie die Welt zuvor gekannt hat, gestorben ist. „Vergessen wir eines nicht“, sagt er, „der Krieg ist vielleicht vorbei in Aleppo, aber es wird Rache geben. Viel Rache. Von allen Seiten.“Wenn dieser Bewohner dann das Wort „Frieden“benutzt, klingt es wie eine Resignation, wie aus einem tiefen, tiefen Loch gef lüstert – müde und am Ende aller Kräfte. In Farben: Tiefschwarz und keinesfalls Gelb.