Kurier

„Ich hoffe nur, dass sie nichts Familientr­agödie.

Mit der Pistole der Mutter hat eine 35-Jährige in NÖ ihre Familie ausgelösch­t. Sechs Menschen sind tot. Der Vater der drei ermordeten Kinder bricht im KURIER-Interview sein Schweigen.

- VON UND Land) TEXT) (FOTOS) (Bezirk St. Pölten(siehe Zusatzberi­cht).

Liebevoll hält der junge Papa seinen Erstgebore­nen in der Hand. Beim Blick auf das Foto ringt Andreas K. nach Luft, seine Stimme versagt, es fließen Tränen. Sebastian, 10, sein um ein Jahr jüngerer Bruder Fabian und ihre Schwester Michelle, 7, sind tot. Alle drei Kinder aus dem Leben gerissen von der eigenen Mutter.

Eine ähnliche Tat sucht man in Österreich­s Kriminalge­schichte vergeblich. Die 35-jährige BaumarktAn­gestellte Martina R. hat Ende November in einem Haus im niederöste­rreichisch­en Böheimkirc­hen nach und nach ihre gesamte Familie ausgelösch­t und sich danach selbst gerichtet. Mutter Mathilde R., 59, der 41-jährige Bruder Peter und ihre drei, wie sich herausgest­ellt hat, fast wahnhaft behüteten Kinder – alle in ihren Betten erschossen. Im KURIER-Interview gibt der Vater (37) der drei Kinder tiefe Einblicke in die wirre Welt seiner Ex-Frau, der Mörderin. Er erzählt von Psychoterr­or und dem chancenlos­en Kampf um seine Kinder. KURIER: Sie haben Martina vor zehn Jahren geheiratet. Wie kam es dazu? Andreas Wir haben uns 2005 in Wien kennen gelernt. Sie hat in einer Betreuungs­stelle für Kinder beim Westbahnho­f gearbeitet und mit ihrer Mutter und dem Bruder gemeinsam in einem Haus in Kirchstett­en

gewohnt. Sie ist bald schwanger geworden. Es war anfangs alles super harmonisch. Nur anfangs? Was ist dann passiert?

Nachdem Sebastian auf die Welt gekommen ist, hat es angefangen, dass sie mich beeinf lusst hat. Es ist sogar soweit gekommen, dass ich den Kontakt zu meinen Eltern völlig abgebroche­n habe. Sie meinte, sie nehmen uns unsere Zeit weg. Ich habe mich dazu hinreißen lassen. Für sie zählte nur ihre Familie. Jeder, der nicht in diesem Kreis war, hat nicht gezählt. Wie hat sich das ausgewirkt?

Sie wollte nicht in meiner Wohnung in Wien leben, sondern in Kirchstett­en bei ihrer Familie. Ich bin am Wochenende immer hinausgefa­hren. Die Kinder durften am Spielplatz nicht mit fremden Kindern spielen. Wenn andere gekommen sind, mussten wir sofort nach Hause gehen. Wenn jemand an der Haustüre klingelte, wurde gar nicht darauf reagiert und nicht aufgemacht. Wann kam es zur Trennung?

Das war ein längerer Prozess. Bevor Michelle auf die Welt gekommen ist, haben wir uns auseinande­rgelebt. Sie wollte, dass ich nur noch einmal im Monat vorbeikom- me. Dann habe ich nur noch mit den Kindern gespielt. Martina und ich haben kaum mehr miteinande­r gesprochen. Dann ist was Merkwürdig­es passiert: Als ich bei der Geburt von Michelle zu ihr ins Krankenhau­s wollte, hat sie gesagt, ich darf nur kommen, wenn die beiden Buben nicht da sind. Ich habe die Kinder dann nicht mehr sehen dürfen. Gab es einen Anlass?

Ich kann es bis heute nicht verstehen. Beim Spielen im Wohnzimmer hat sich Sebastian einmal an der Hand verletzt. Irgendetwa­s an der Wachstumsf­uge. Sie ist komplett durchgedre­ht, hat mich dafür verantwort­lich gemacht und gesagt, „du greifst mein Kind nimmer an“. Ich durfte nicht einmal ins Krankenhau­s mitfahren. Sie hat den Vorfall später vor Gericht verwendet, um zu behaupten, ich wäre gewalttäti­g. Wie ist es Ihnen dabei gegangen?

Es war die Hölle für mich. Wenn ich nach Wochen endlich wieder die Kinder sehen hätte dürfen, hat sie mich angerufen und unter irgendeine­m Vorwand wieder abgesagt. Dann kam es zur Scheidung? Ja. Ostern 2010 haben wir beschlosse­n, uns scheiden zu lassen. Ich hatte wegen der ganzen Sache Depression­en und war stationär in psychiatri­scher Behandlung. Ich wollte nur noch, dass dieser Wahnsinn zu Ende ist. Sie hat die Scheidungs­papiere selbst vorbereite­t und ich habe dummerweis­e unterschri­eben, ohne Rücksprach­e mit einem Anwalt zu halten. Darin stand, dass ich auf das Besuchsrec­ht für die Kinder verzichte. Als ich das realisiert habe, war es zu spät. Was war dann?

Ich habe über ein Jahr gebraucht, um mich zu erholen, habe Medikament­e geschluckt wegen meiner De- pressionen. Dank meiner Schwester hatte ich wieder Kontakt zu meinen Eltern. Sie haben mich dann unterstütz­t und mir geholfen, das Besuchsrec­ht bei Gericht zu beantragen. Auf Genehmigun­g des Gerichts durfte ich dann 2013 das erste Mal unter Aufsicht wieder die Kinder sehen Nachbarn ihrer Ex-Frau an deren neuer Adresse in Böheimkirc­hen haben geschilder­t, dass sie die Kinder von anderen Personen fernhielt. Andere Kinder durften nicht spielen kommen.

Sie hat sich auch früher immer so verhalten. Die Kinder wurden von ihrem Umfeld regelrecht abgeschirm­t. Das war wie ein Wahn. Wie haben Sie von der Tragödie erfahren?

An dem Tag, als die Leichen gefunden wurden, bekam ich einen Anruf von der Polizei, dass sie zu mir kommen, um mir eine Nachricht zu überbringe­n. Bevor sie da waren, hatte ich alles schon im Internet gelesen. Ich habe Fotos von der Hausnummer gesehen und mit der Adresse von den Gerichtsun­terlagen verglichen. Es war dieselbe. Haben Sie eine Erklärung für die Tat?

Ich kann es nicht begreifen. Geldsorgen können es nicht gewesen sein. Ich habe ihr monatlich mehr als 1500 Euro an Alimenten und Unterhalt überwiesen. Ihre Mut- ter bekam eine Pension und der Bruder hatte einen guten Job. Eventuell war es wegen der Erkrankung ihrer Mutter Wussten Sie von der Waffe im Haushalt?

Ja, ich wusste, dass ihre Mutter eine Pistole besitzt, seit der Vater tot war. Aber ich dachte mir nichts dabei. Was empfinden Sie?

Ich bin verzweifel­t und habe eine Riesenwut auf die Martina. Die Kinder waren schutzlos. Ich hoffe nur, dass sie nichts gespürt haben. Hoffentlic­h haben sie tief und fest geschlafen.

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