„Es wird nicht alles aufgeklärt“
Nachgefragt. Zu wenig Ausbildungsstellen, kaum Jobs: „Fach ist bedroht“
Prof. Walter Rabl ist Präsident der Österr. Gesellschaft für Gerichtliche Medizin. KURIER: Sie haben 2014 gesagt, Österreich drohe zur Bahre der Gerichtsmedizin zu werden. Wie ist die Situation heute? Walter Rabl: Sie hat sich weiter verschlechtert. Es gibt nur noch rund 30 Gerichtsmediziner in Österreich, viele werden bald in Pension gehen. Einzelne Ausbildungsstellen zum Facharzt für Gerichtsmedizin gibt es nur in Graz, Salzburg und Innsbruck. Aber viele der jungen Fachärzte gehen ins Ausland – weil es bei uns an den Medizinuniversitäten oder bei den Behörden kaum Jobs für sie gibt und sie im Ausland viel besser verdienen. Obwohl es aus meiner Sicht das interessanteste Fach der Medizin ist, muss man leider angesichts der Rahmenbedingungen jedem davon abraten, Gerichtsmediziner zu werden. Und die Medizinstudenten haben – mit Ausnahme von Innsbruck – keine verpflichtenden Lehrveranstaltungen im Bereich Gerichtsmedizin. Damit fehlt das Basiswissen, Hinweise auf Verbrechen zu erkennen. Plötzliche Todesfälle sind Domäne der Gerichtsmedizin. Aber das Fach ist bedroht.
warnten auch, dass Verbrechen unaufgeklärt bleiben.
Die Obduktionsfrequenz ist österreichweit von rund 25 bis 30 Prozent aller Todesfälle auf rund zehn Prozent gesunken. Aber der Totenbeschauarzt, der den Totenschein ausstellt, liegt – auch unter den besten Bedingungen, wenn er alles richtig macht – in ungefähr einem Drittel aller Fälle falsch. Deshalb ist ein Rückgang bei den Obduktionen sowohl für die Verbrechensauf klärung als auch für die Todesursachenstatistik – und damit auch für die Gesundheitspolitik – ein riesiges Problem.