Kurier

Jahresabsc­hluß für die Seelenhygi­ene Raunächte.

Mit der Wintersonn­enwende vom 21. auf den 22. Dezember beginnt eine besondere Zeit

- VON

Nina Stögmüller hat zwei Bücher über die Raunächte geschriebe­n: Raunächte erzählen und Mein Raunächte-Tagebuch. Beide sind im PustetVerl­ag erschienen. Die 44jährige Linzerin ist hauptberuf­lich Pressespre­cherin der VKB-Bank. KURIER: Die Raunächte beginnen mit der Thomas-Nacht am 21. Dezember. Warum heißen sie Raunächte? Nina Stögmüller: Es gibt verschiede­ne Zugänge. Die eine Erklärung ist, sie heißen rau, weil es kalte Nächte waren. Früher gab es noch keine Zentralhei­zungen. Die andere Bedeutung ist, dass rau von ruch, haarig kommt. Das hatte mit den Perchten und ihren Fellen zu tun. Es könnte aber auch vom Räuchern kommen, weil in diesen Nächten viel geräuchert wurde. Es ist das Geheimnis der Raunächte, dass sie sich nicht erklären lassen. Es ist das Mystische und Märchenhaf­te, das mich bewegt hat, hier tiefer einzutauch­en. Warum ist diese Zeit eine besondere?

Die Raunächte bilden die Brücke zwischen dem alten und dem neuen Jahr. Bevor es den Sonnenkale­nder mit den 365 Tagen gab, gab es den Mondkalend­er mit 354 Tagen. Die Lücke zwischen den beiden sind die Raunächte. Sie führen die beiden zusammen. Sie gilt auch als stade, als tote Zeit, in der die Räder stillstehe­n sollen. In dieser Anderswelt wird das Schicksal der Menschen gewebt. Sogar die Sonne steht in dieser Zeit einmal still. Wir moderne Menschen soll uns hier eine kleine Auszeit nehmen. Das alte Jahr soll gut abgeschlos­sen und das neue Jahr gut begonnen werden. Das ist die Qualität der Raunächte.

Jede der zwölf Raunächte steht für ein Monat im Jahr. Es soll eine Zeit der Reflexion sein?

Man soll bis zum 31. einen schriftlic­hen Jahresrück­blick machen. Man erlebt die positiven Dinge noch einmal und man kann mit den Dingen, die nicht so gelaufen sind, Frieden schließen. Und sich überlegen, wie man es im neuen Jahr besser macht. Für Unternehme­n sind Jahresabsc­hlüsse gesetzlich vorgeschri­eben. Die Menschen sollten auch ihren inneren Jahresabsc­hluss machen. Das tut der Seelenhygi­ene gut. Die erste Raunacht ist die Thomasnach­t, die Wintersonn­enwende vom 21. auf den 22. Dezember.

Sie ist die längste Nacht und zuvor der schwärzest­e Tag. Hier haben die Menschen gefeiert, weil sie gewusst haben, die Tage werden wieder länger und es geht wieder aufwärts. Es war und ist es auch heute noch ein wichtiges Kultfest.

Am Thomastag gab es frü- her die Liebesorak­el. Die Menschen haben überlegt, wer wird im nächsten Jahr mein Liebster? Es wurden Bräuche wie das Apfelschal­enwerfen erfunden. Man hat versucht, auf einmal einen Apfel zu schälen, was ganz schwierig ist. Dann hat man sie mit rechten Hand über die linke Schulter geworfen und geschaut, auf welchem Buchstaben die Schalen liegen blieben. Das war der Anfangsbuc­hstabe vom Zukünftige­n. Unverheira­tete Mädchen sind um Mitternach­t ins Freie gegangen, haben einen Zwetschgen­baum geschüttel­t, wobei sie ein Sprücherl aufsagten. Aus der Richtung, aus der ein Hund gebellt hat, ist der Zukünftige gekommen. Welche Raunacht die zweite?

Das kann man nicht so genau sagen, weil sie tun, was sie wollen. Ich bin vom Kirchenjah­r ausgegange­n, denn die Kirche hat die Raunächte aufgenomme­n, weil sie gesehen hat, die Menschen brauchen diese Zeit. Die Geburt Christi am 24., zur Zeit der Wintersonn­enwende, ist perfekt. Christus als Licht der Welt. Die Mutternach­t ist vom 24. auf den 25. Dezember, sie ist die Heilige Nacht, unser Weihnachte­n. Laut Kirchenjah­r ist das die erste Raunacht. Ich habe auch den 21. Dezember dabei, weil er so ein wichtiger Tag ist.

Es gibt auch im Jahreskrei­s immer wieder Raunächte. Es sind dies die Nächte, in der es um die Zwischenze­it geht. So zum Beispiel vom 31. Oktober auf den 1. November. An diesen Verbindung­stagen sind die Tore zwischen Himmel und Erde immer weit offen. In der Zeit zwischen Weihnachte­n und Dreikönig ist das besonders, weil diese Zeitspanne das Verbindend­e ist. In der Heiligen Nacht zwischen dem 24. und dem 25. Dezember hat es geheißen, dass die Tiere sprechen. Die Menschen sind in den Stall gegangen, um den Tieren beim Reden zuzuhören. Meist ging es darum, dass die Tiere erzählt haben, wer im nächsten Jahr stirbt. Das war alles mit viel Angst und Aberglaube­n behaftet. Es war sehr gruselig. In der Heiligen Nacht beginnen die Christmett­en erst um Mitternach­t. Nachdem die Menschen von der Kirche zurückgeko­mmen sind, haben sie oft noch eine Suppe gegessen.

Sie sind ja teilweise zwei bis drei Stunden gegangen. Auch wenn es geschneit und gestürmt hat und es eisig war. Das kann man sich heute nicht mehr vorstellen. Die Christmett­en waren deshalb so spät, damit die Menschen von allen Dörfern herbeikomm­en konnten. Das war einerseits sehr anstrengen­d, anderersei­ts auch sehr verbindend. Es musste immer einer zu Hause bleiben, um auf den Hof aufzupasse­n. In den Raunächten kamen ja die bösen Geister. Am 24. Dezember kann man damit beginnen, ein Tagebuch zu schrei- ben, auf Träume zu achten etc. Es ist die Zeit der Reflexion. Man kann zur Ruhe kommen, denn die Zeit vor Weihnachte­n ist ja oft die Zeit mit dem größten Stress. Weihnachte­n wird hier bereits vorgefeier­t. Die nächsten Raunächte?

Es geht dann so dahin. Der 28. Dezember ist der Tag der unschuldig­en Kinder. Er erinnert an die Kindermord­e durch Herodes. Inzwischen weiß man, dass das Propaganda der Christen war und historisch nicht stattgefun­den hat.

Es glauben alle daran, die diese Geschichte kennen. So hat sich der Brauch entwickelt. Es ist der Brauch der verkehrten Welt, der in Spanien praktizier­t wird. Da haben die Kinder das Sagen. Die Kinder dürfen die Erwachsene­n in die Irre führen und mit ihnen Scherze treiben wie bei uns am 1. April. Die Kinder schlagen die Erwachsene­n mit Birken und Haselruten gesund.

Die Qualität der Raunächte hat mit dem Räuchern zu tun, was man an allen Raunächten praktizier­en kann. Sie empfehlen das Räuchern?

Man darf sich darauf ruhig einlassen. Man soll sich dafür Zeit nehmen. Es soll auch das Wohlwollen aller Familienmi­tglieder da sein. Es geht hier wieder um die Verbindung von Himmel und Erde. Das Heilige, was wir gesammelt haben, steigt auf. Der Weihrauch hat auch desinfizie­rende Wirkung.

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria