Kurier

Attentäter gelang die Flucht nach Massaker

Mindestens 39 Tote in Silvestern­acht

- VON ULRIKE BOTZENHART

Auch viele Stunden nach dem Schussatte­ntat in einem Istanbuler Nobelclub konnten die türkischen Behörden keine Erfolge vermelden. Der Attentäter, der in der Silvestern­acht im Lokal „Reina“mindestens 39 Tote und 65 Verletzte zu verantwort­en hat, war weiter auf der Flucht. Vorerst bekannte sich niemand zur Tat, es wurde aber vermutet, dass der „Islamische Staat“, mit dem sich die Türkei in Syrien erbitterte Gefechte liefert, dahinterst­eckt. Der Anführer der Terrormili­z, Abu Bakr al-Bagdadi, hatte seine Anhänger bereits im November ausdrückli­ch zu Bluttaten in der Türkei aufgerufen. Auch in Ankara hätten IS-Kämpfer zu Neujahr zuschlagen wollen, sie wurden aber rechtzeiti­g gefasst, berichtet die Zeitung Hürriyet.

17.000 Polizisten waren in der Silvestern­acht in Istanbul im Einsatz. Ein Blutbad nur wenige Hundert Meter von den offizielle­n Silvesterf­eierlichke­iten in der Bosporus-Metropole entfernt konnten sie dennoch nicht vereiteln. Hier, im spektakulä­r gelegenen Nachtclub „Reina“, einem bei Touristen beliebten Treffpunkt von Reich und Schön am Bosporus-Ufer, feierten an die 800 Gäste. Das neue Jahr war gerade 75 Minuten alt, als ein laut Augenzeuge­n angeblich als Weihnachts­mann verkleidet­er Mann (was die Behörden dementiert­en) mit einem Gewehr das Feuer auf die Sicherheit­sleute vor dem Eingang des Nachtclubs eröffnete. Sie konnten ihn nicht auf halten.

Angst und Panik

Der Angreifer schoss wahllos in die Menge. Panik brach aus. „Links waren Schüsse zu hören, also rannten wir nach rechts“, berichtete Profifußba­ller Sefa Boydas. Mehrere Frauen seien in Ohnmacht gefallen, darunter auch eine seiner Begleiteri­nnen. „Ich hab sie auf den Rücken genommen und bin sofort gerannt. In solchen Momenten wartet man nicht.“Alle rennen – auch über auf dem Boden liegende Menschen. „Mein Mann sagte mir, ich soll ja keine Angst haben. Er ist auf mich gesprungen. Die Menschen sind über mich hinweggela­ufen. Mein Mann wurde an drei Stellen angeschoss­en“, erzählt eine Augenzeugi­n der türkischen Zeitung Hürriyet.

„Ich hatte noch gar nicht verstanden, was los ist, als mein Mann umfiel und auf mich stürzte“, berichtet Sinem Uyanik der AP. Dann seien weitere Menschen auf sie gefallen, berichtet die geschockte Überlebend­e. Und: „Ich musste mehrere Körper wegheben, umaufstehe­n und flüchten zu können.“Sinem Uyanik kam mit dem Schrecken davon, ihr Mann Lutfu wurde verletzt. Andere Gäs- te sprangen in ihrer Angst ins eiskalte Wasser des Bosporus. Sie wurden von den rasch herbeieile­nden Polizeiund Rettungskr­äften geborgen. Auch Spezialein­heiten waren rasch vor Ort, dennoch gelang dem oder den Attentäter­n die Flucht.

Die vorläufige Bilanz der Schreckens­nacht: Mindestens 39 Menschen wurden getötet, weitere 65 mussten mit Verletzung­en ins Spital gebracht werden. Unter den vorerst 35 identifizi­erten Todesopfer­n waren 11 Türken sowie 24 Ausländer aus Belgien, Israel, Jordanien, dem Libanon, Libyen, Marokko, Saudi-Arabien und Tunesien. Auf österreich­ische Opfer gab es vorerst keine Hin- weise, ließ das Außenamt in Wien wissen.

Hinter der Tat wird die Terrormili­z „Islamische­r Staat“(IS) vermutet, die im Vorjahr – wie auch die kurdische Splittergr­uppe TAK – mehrmals in der Türkei zugeschlag­en hat (siehe Artikel

unten). Womöglich hatte der IS zu Silvester sogar einen Doppelansc­hlag beabsichti­gt: In Ankara wurden laut Hürriyet acht IS-Kämpfer festgenomm­en, die in der Nacht einen Anschlag geplant hätten.

Ziel der Angreifer, sagte Staatschef Recep Tayyip Erdoğan, sei es, „Chaos“zu stiften, doch die Türkei werde diese „schmutzige­n Spiele“nicht zulassen.

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Die Worte am Eingang des Nobel-Nachtclubs „Reina“schockiere­n nach dem Blutbad der Silvestern­acht: Mindestens 39 Gäste wurden getötet, Dutzende weitere verletzt
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Tief geschockt: Die beiden Frauen haben das Massaker überlebt
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Das Lokal direkt am Bosporus gilt als Treffpunkt für Reich und Schön

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