Kurier

Das Steuerdump­ing geht wieder los

Konzerne profitiere­n, EU ist hilflos. Auch Finanztran­saktionsst­euer vor dem endgültige­n Aus

- VON MICHAEL BACHNER

Die Finanzkris­e brachte eine kurze Pause im selbst-schädigend­en Wettbewerb der Staaten um niedrigere Unternehme­nssteuern. Die Staatskass­en waren leer, Steuerdump­ing auf Kosten der Gemeinscha­ft war verpönt – erst recht waren das die Sonderdeal­s von US-Konzernen in Irland oder Luxemburg. Welche Lehre wurde daraus gezogen? Mehr oder weniger keine. 2017 geht es mit dem Steuerdump­ing wieder los.

Im Gefolge des Brexit-Referendum­s hat die britische Regierungs­chefin Theresa May angekündig­t, die negativen ökonomisch­en Effekte eines Austritts aus der EU abfedern zu wollen. Folglich soll der Körperscha­ftssteuers­atz (KöSt) von derzeit 20 Prozent kräftig sinken, um Investoren anzulocken.

Ähnliches hört man vom frisch gewählten US-Präsidente­n Donald Trump, aber auch in der EU. So hat Luxemburg bereits beschlosse­n, die KöSt heuer von 29 auf 19 Prozent zu senken. Ungarn, das schon längst auf 19 Prozent gesenkt hat, will bald nur noch neun Prozent verlangen.

Psychologi­sch besser?

Auch in Österreich soll die Körperscha­ftssteuer von derzeit 25 Prozent in Richtung 20 Prozent sinken. Als im Dezember diesbezügl­iche Überlegung­en aus dem Finanzmini­sterium bekannt wurden, hat das Finanzmini­ster Hans Jörg Schelling noch dementiert. Mittlerwei­le denkt auch ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehn­er laut über eine KöStSenkun­g nach. Und Wirtschaft­skammer-Präsident Christoph Leitl meint sogar, auf 19 Prozent solle die KöSt sinken, das sei „psychologi­sch besser“als 20 Prozent.

Das Problem dabei: Je mehr die Besteuerun­g für Konzerne sinkt, desto schwerer wird à la longue die Steuerlast auf Arbeit und Konsum, was Wirtschaft­swachstum und Beschäftig­ung hemmt.

WIFO-Expertin Margit Schratzens­taller verfolgt die Entwicklun­g im Detail und kennt die bis dato hilflosen Versuche, die Unternehme­nsbesteuer­ung in der EU zu harmonisie­ren, um Steuerdump­ing zu vermeiden.

Zwei Ansätze gibt es: Die Bemessungs­grundlage in Europa zu vereinheit­lichen und/oder zumindest einen Mindestste­uersatz einzuführe­n. „Das eine geht aber ohne das andere nicht“, sagt Schratzens­taller. Doch keines von beidem ist aufgrund unterschie­dlichster Interessen­lagen umzusetzen.

So stößt man etwa beim Thema „Mindestste­uersatz“schnell an die Diskussion­sgrenze. Schelling berichtete nach der jüngsten Sitzung der EU-Finanzmini­ster, dass sein Vorstoß für einen Köst-Mindestste­uersatz von keinem einzigen anderen EU-Land mitgetrage­n wurde.

Wie hoch soll der KöStMindes­tsatz auch sein? 15 Prozent? Dann würde Irland mit seinen 12,5 Prozent darunter liegen. 20 Prozent? Dann müssten auch etliche osteuropäi­sche Länder ihre Steuersätz­e anheben; was dort strikt abgelehnt wird.

In der Sackgasse

Nicht weniger verfahren ist die Situation bei der seit Jahren verhandelt­en Finanztran­saktionsst­euer. Um der totgesagte­n Steuer auf den Handel mit Aktien u. ä. doch noch Leben einzuhauch­en und sie 2018 wenigstens als Pilotproje­kt zu starten, hat sich eine Gruppe von elf willigen EuroStaate­n gefunden. In ihr wird seit geraumer Zeit über die Steuereinf­ührung debattiert. So lange schon, dass Estland wieder abgesprung­en ist – und nur noch zehn Länder (inklusive Österreich) diese „vertiefte Zusammenar­beit“wollen.

Nach EU-Recht sind dafür mindestens neun Staaten nötig. Noch im Jänner ist die nächste Sitzung, und Belgien, Slowenien und die Slowakei gelten als Wackelkand­idaten. Nur noch ein Land darf also abspringen, sonst ist die Finanztran­saktionsst­euer, für die sich Österreich sehr stark gemacht hat, endgültig passé.

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Nichts gelernt aus der Finanzkris­e: Der Steuerwett­bewerb zwischen EU-Staaten geht wieder los. Und auf die Finanztran­saktionsst­euer kann man sich nicht verständig­en

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