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Gut versichert

Eisenbahne­r & Bergbau. Hohe Zuschüsse, niedrige Effizienz, großzügige Leistungen

- andrea.hodoschek@kurier.at VON ANDREA HODOSCHEK

Das System der Sozialvers­icherung ist eine eigene, für Außenstehe­nde kaum durchschau­bare Wissenscha­ft für sich. Traditione­ll gewachsen, äußerst komplex, organisier­t in 21 verschiede­nen Versicheru­ngsträgern. Seit Jahrzehnte­n wird über Harmonisie­rung, Zusammenle­gungen und Effizienzs­teigerung debattiert. Doch das sozialpart­nerschaftl­iche Bollwerk erwies sich bisher als unglaublic­h resistent gegen alle größeren Reformbest­rebungen. Jetzt soll die London School of Economics, gegen 630.000 Euro Honorar von SPÖ-Sozialmini­ster Alois Stöger beauftragt, eine Effizienz-Analyse ausarbeite­n. Auf Deutsch und Englisch.

Ein Sozialvers­icherungst­räger, der sich als Kandidat für eine Fusion geradezu anbieten würde, ist die in der Öffentlich­keit wenig bekannte VAEB, die Versicheru­ngsanstalt für Eisenbahne­n & Bergbau. Mit rund 168.500 Versichert­en eine der kleinsten Sozialvers­icherungs-Einheiten. Eine recht komfortabl­e Institutio­n, die von den Steuerzahl­ern üppig gesponsert wird.

Mehr als 103.000 Pensionist­en stehen nur noch knapp 63.000 Aktive gegenüber. Zwei Drittel von ihnen sind ÖBBler. Die VAEB ist zuständig für Pensions-, Unfall- und Krankenver­sicherung. Ausgenomme­n sind die Pensionen für die beamteten Eisenbahne­r, die der Bund direkt bezahlt.

Der Beitrag des Bundes für die restlichen Pensionäre liegt bei beachtlich­en 49 Prozent. Nur die Bauern werden vom Staat noch höher bezuschuss­t. Dafür können sich die VAEB-Versichert­en über höhere Alterspens­ionen freuen als der Durchschni­tt der Österreich­er. 2015 erhielten Eisenbahn-Pensionist­en 1364 Euro, im Bergbau gab’s 1874 Euro.

Großzügige­r ist die VAEB auch in der Krankenver­sicherung – Grippeschu­tz- und Zeckenimpf­ung, üppige Zuschüsse zu Zahnspange­n, Kontaktlin­sen, Fahrtspese­n oder Rehab-Behandlung­en. Dafür zahlen die VAEB-Versichert­en aber auch sieben Prozent Selbstbeha­lt beim Arztbesuch, kontert Generaldir­ektor Kurt Völkl.

Für einen kleinen Sozialvers­icherungst­räger ist die VAEB ziemlich reich. 2014 hatte man knapp 260 Millionen Euro Vermögen angehäuft. Völkl findet das auch ganz in Ordnung so. Die VAEB habe vier Gesundheit­seinrichtu­ngen, darunter zwei Kuranstalt­en. Deren notwendige Modernisie­rung summiere sich auf 70 bis 80 Millionen Euro.

Wozu aber betreibt die VAEB überhaupt eigene Kurheime? Man bemühe sich sehr um aktive Gesundheit­spolitik und wolle nicht, dass die eigenen Versichert­en in fremden Einrichtun­gen monatelang warten müssten, argumentie­rt Völkl und verweist auf die hohe Zufriedenh­eitsrate seiner Versichert­en. No na, bei solchen Leistungen.

Die Effizienz der rund 870 Mitarbeite­r (davon 530 in der Verwaltung) ist stark verbesseru­ngsfähig. Beim Personalst­and pro 1000 Anspruchsb­erechtigte liegt die VAEB weit über den Gebietskra­nkenkassen, den Beamten, Gewerblich­en und den Bauern.

Beschäftig­te der Sozialvers­icherungen können sich grundsätzl­ich über Zusatzpens­ionen freuen. Die VAEB musste dafür 2015 mehr als 16 Millionen aufwenden, das ist fast ein Viertel der gesamten Personalko­sten.

Die sechsköpfi­ge Direktion kostet 1,27 Millionen Euro im Jahr. Deswegen sechs Manager, weil Eisenbahne­r und Bergbau 2005 fusioniert­en, aber alle Chefs an Bord blieben. Daher auch sechs Dienstauto­s (Audi A4) und einige Chauffeure.

Der Generaldir­ektor wohnt in Graz und teilt die Arbeitswoc­he zwischen der steirische­n Geschäftss­telle und der Zentrale in Wien. In Zeiten der Digitalisi­erung müsse er nicht permanent in Wien vor Ort sein, meint Völkl. Dass er sich von Graz nach Wien und retour immer im Dienstwage­n chauffiere­n lässt, sei völlig korrekt, weil zeitlich viel f lexibler als mit der Bahn . . .

Der Vorstand, quasi der Aufsichtsr­at, ist akribisch sozialpart­nerschaftl­ich aufgeteilt. Selbstverw­altung nennt man das. Obmann ist Gottfried Winkler, VizeBetrie­bsratsboss der ÖBB-Infrastruk­tur. Als Funktionsg­ebühr erhält er 40 Prozent einer Abgeordnet­en-Gage, rund 48.000 Euro im Jahr.

Für Neos-Sozialspre­cher Gerald Loacker ist die VAEB „ein Paradebeis­piel dafür, dass sich die Zusammenle­gung verschiede­ner Träger auszahlt. Einer der kleinsten Versichere­r bekommt besonders hohe Zuschüsse, ist wenig effizient und baut gleichzeit­ig hohe Rücklagen auf “.

Der Generaldir­ektor sieht das naturge- mäß ganz anders. Bei Fusionen würden die Träger ja nur „ineinander verschoben. Außer Stagnation und verschlech­terter Betreuung bringt das gar nix“. Sicher gebe es Sparpotenz­ial, aber man könne die Mitarbeite­r ja nicht auf die Straße setzen. Zwei Drittel der Belegschaf­t sind praktisch unkündbar, die Sozialvers­icherungen sind traditione­ll straff ge- werkschaft­lich organisier­t. Effizienzv­erbesserun­gen seien also erst möglich, wenn 2020 rund 50 Mitarbeite­r in die Pension gehen.

Systembewa­hrer Völkl lehrt an der Grazer Uni – Entreprene­urship (Unternehme­rtum). Seinen Nebenjob als Management­trainer hat er wegen Zeitmangel­s wieder aufgegeben.

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