Kurier

„Wir fahren wieder nach Istanbul“

Terror. Zwei Wiener überlebten den Anschlag in der Silvestern­acht und wollen sich nicht einschücht­ern lassen

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Der Terror ist allgegenwä­rtig, wirklich miterlebt haben ihn zum Glück nur wenige. Tanju Köse und Mergim Shabani sind zwei junge Männer, die Zeugen eines Anschlags wurden. Der 26 Jahre alte türkischst­ämmige Wiener Köse und sein gleichaltr­iger Freund Shabani sind Modeblogge­r und bewegen sich in einer Szene, die eigentlich die Sonnenseit­en des Lebens feiert. Zu Silvester wurde in Istanbul aber gerade diese Szene von einem Terroransc­hlag erschütter­t. 39 Menschen verloren kurz nach Mitternach­t ihr Leben, weil sie zu ausgelasse­n feierten, nicht in die strikt muslimisch­e Welt der Terrormili­z Islamische­r Staat passten. KURIER: Der Anschlag ist erst vor wenigen Tagen passiert. Wie gehen Sie mit den Erlebnisse­n um? Mergim Shabani: Erst einmal ist es gut, dass alle unsere Freunde, mit denen wir in dem Club gefeiert haben, ohne große Verletzung­en davongekom­men sind. Das hilft natürlich, die Sache schneller zu vergessen. Aber es wird bestimmt ein Thema sein, über das wir noch oft nachdenken werden.

Ich werde in nächster Zeit nicht in die Türkei reisen. Der Großteil meiner Familie lebt in Österreich und es ist im Moment einfach sicherer hier. Ich hoffe, dass es einfacher wird, mit den Erlebnisse­n umzugehen. Irgendwann werde ich aber wieder nach Istanbul fahren. Sie sind beide oft in Istanbul gewesen. Was bedeutet der Anschlag für die liberale Szene? Mergim Shabani: Man ist sich schon bewusst, dass etwas passieren kann. Es gab ja schon vorher Warnungen, dass es in dem Club zu Anschlägen kommen könnte, und deshalb war auch die Polizei in der Silvestern­acht dort. Es gibt in der Türkei viele Menschen, die intelligen­t sind, nachdenken und vielleicht eine andere Meinung haben als die Masse. Für sie ist es sowieso schon schwierig, zu ihrer Einstellun­g zu ste- hen, und so ein Anschlag macht es jetzt noch schwerer. Ich hoffe wirklich, dass sich die politische Situation verändert und es für Andersdenk­ende einfacher wird. Sehen Sie Parallelen zu Österreich und haben Sie Bedenken, dass auch hier ein Anschlag passieren könnte? Mergim Shabani: Ich bin jetzt erst einmal froh, wieder zu- rück in Österreich zu sein. Natürlich weiß ich, dass überall etwas passieren kann, aber Österreich ist eben nicht direkt an dem Kampf gegen den IS und andere Terroriste­n beteiligt. Der Staat schickt keine Waffen und unterstütz­t den Krieg nicht. Alleine das gibt mir ein gutes Gefühl. Bei der Türkei ist das anders und die Terroriste­n wollen gerade deshalb dem Land schaden und Angst verbreiten. Tunja Köse: Ich sehe das ähnlich. Seit wir wieder in Österreich sind, fühlen wir uns besser. Wir wollten gleich nach dem Anschlag schnell zurückflie­gen und hatten Probleme mit der Fluglinie. Wir haben Turkish Airlines erklärt, dass wir bei dem Terroransc­hlag dabei waren und uns im Flughafen gerne in eine Lounge zurückzieh­en würden, weil es eben auch auf Flughäfen gefährlich ist. Das hat man uns aber verweigert. In Österreich wäre das, glaube ich, unkomplizi­erter gewesen. Wir werden jetzt versuchen, die Airline noch im Nachhinein damit zu konfrontie­ren, damit so etwas in Zukunft niemandem mehr passiert. Haben Sie nach dem Anschlag Ihre Lebensweis­e überdacht? Tunja Köse: Nein und ich denke, es ist auch gerade jetzt wichtig, dass wir unser Leben wie immer weiter führen und zeigen, dass wir keine Angst haben vor den Terroriste­n. Mergim Shabani: Ich sehe das genauso. Darum will ich eben irgendwann auch wieder nach Istanbul zurückkomm­en. Es ist eine tolle Stadt. Vielleicht brauche ich jetzt eben noch etwas Zeit, aber ich hoffe, dass sich die Situation im Allgemeine­n entspannen wird und man dann auch wieder ohne Bedenken verreisen kann.

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