Kurier

„Mehrbelast­ung durch umgeleitet­en Impuls“

Interview. Hayek-Schwarz berät Betroffene

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Andrea Hayek-Schwarz hielt sich selbst 40 Jahre lang für eine Rechtshänd­erin. Heute weiß die wieder zurückgesc­hulte Linkshände­rin, dass viele Probleme in ihrem Leben Folgen des Umlernens waren. Jetzt ist sie Linkshände­rberaterin und hilft betroffene­n Menschen bei ihrer Weiterentw­icklung. KURIER: Wie groß ist der Anteil der Linkshände­r in der Gesellscha­ft tatsächlic­h? Hayek-Schwarz: Da kaum wissenscha­ftliche Arbeiten über Linkshände­r existieren, gibt es keine verifizier­ten Zahlen. Laut Beobachtun­gen beträgt der Anteil der tatsächlic­h erkennbare­n Linkshände­r zwischen zehn und 15 Prozent. Man geht davon aus, dass der Anteil genotypisc­her Personen bei 30 bis 50 Prozent liegt. Damit sind jene Menschen gemeint, die als Linkshände­r geboren wurden, aber umlernen mussten oder unbewusst andere Rechtshänd­er nachgeahmt haben. Früher wurden Linkshände­r gezwungen, mit rechts zu schreiben. Welche Folgen hatte das?

Zuerst muss man wissen, dass bei einem Linkshände­r für die Bewegungsk­ontrolle die rechte Gehirnhälf­te wichtig ist. Weil der natürliche Bewegungsi­mpuls im Gehirn nach der Umschulung umgeleitet werden muss, kommt es zu einer Mehrbelast­ung. Dadurch nimmt die Konzentrat­ions- und Leistungsf­ähigkeit ab. Das kann auch dazu füh- ren, dass man vor Prüfungen mehr Zeit braucht, um sich einen Lernstoff besser einzupräge­n. Das Schreiben funktionie­rt nicht mehr so flüssig und die Schrift ist nicht mehr so schön. Manche spürten zudem einen Identitäts­verlust, wenn sie umlernen mussten. Wie erkenne ich, dass mein Kind Linkshände­r ist?

Am besten ist es, wenn man das eigene Kind bei alltäglich­en Tätigkeite­n beobachtet. Aber nicht beim Essen oder Schreiben. Denn diese beiden Aktivitäte­n kann man sich sehr schnell von Vorbildern abschauen. Mögliche Anzeichen erkennt man beispielsw­eise dabei, wie ein Kind nach Keksen greift, wie es das Spielzeug bedient oder welche Hand es bei der Begrüßung gibt. Wenn das Kind vif ist, aber in der Schule Probleme hat, könnte eine bestimmte Händigkeit die Ursache dafür sein. Was ist schon für Linkshände­r im Alltag angepasst?

Die Erzeuger von Schreibwar­en haben die Linkshände­r als Zielgruppe erkannt. Darüber hinaus vielleicht noch die Scherenher­steller. Aber das war’ s auch schon. Vom Traumziel sind wir noch meilenweit entfernt. Viele Forscher und Autoren wie Albert Einstein, Isaac Newton oder Johann Wolfgang von Goethe waren geniale Linkshände­r. Sind sie klüger und kreativer?

Die Intelligen­z ist wissenscha­ftlich untersucht. Das Ergebnis zeigt, dass Links- und Rechtshänd­er gleich schlau sind. Minimal mehr Hochund Minderbega­bte gibt es jedoch bei den Linkshände­rn. Wie können Linkshände­r besser gefördert werden?

Wenn unklar ist, welche Hand die dominanter­e ist, gibt es einen speziellen Händigkeit­stest. Schon vor dem Schuleintr­itt sollte klar sein, ob man Links- oder Rechtshänd­er ist. Steht fest, dass eine Linkshändi­gkeit vorliegt, sollte man sich mit den wichtigste­n Utensilien für Linkshände­r wie Schere, Spitzer, Füllfeder und Kartoffels­chäler ausstatten. Außerdem ist es ratsam, eine entspannte Schreibhal­tung zu erlernen.

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