Kurier

Für immer Feierabend! Und dann?

Zeit für neue Werte, bevor die Roboter die Jobs übernehmen

- VON GEORG LEYRER

In einer Hinsicht könnte der Mensch rascher „gottgleich“werden, als ihm lieb ist: Auch ihm könnte seine Schöpfung entgleiten.

Es geht hier nicht um Äpfel, Schlangen und den Auszug aus dem Paradies. Sondern darum, dass der Mensch sich in künstlich intelligen­ten Robotern ein ebenbürtig­es Bild schafft. Eines, das ihn nach Befürchtun­g manch gewichtige­r Denker und auch von manchem der neuen Digital-Elite sogar übertreffe­n – und dann obsolet machen könnte.

Die künstliche Intelligen­z, sagt etwa Tesla-Chef Elon Musk, ist das „neue Nukleare“: Im Normalbetr­ieb also nützlich, aber, außer Kontrolle geraten, eine tödliche Gefahr. Die Sorge gilt zwei unterschie­dlichen Aspekten: Einem durchaus realistisc­hen und einem utopischen. Das zweitere: Dass die künstliche Intelligen­z plötzlich einen feindselig­en Blick auf den Menschen wirft. Keine erfreulich­e, für viele aber eine eher theoretisc­he Aussicht.

Das realistisc­here Szenario jedoch blüht uns vielleicht schon in wenigen Jahren: Ausreichen­d intelligen­te Roboter und Software können dann eine immer größere Zahl an Jobs besser (und billiger) erfüllen als der Mensch.

Das Spektrum reicht vom Truckfahre­r bis zum KanzleiAss­istenten. Foxconn beispielsw­eise, Apples chinesisch­er iPhone-Produzent, setzt voll auf Automatisi­erung. Und dreht in seinen Fabriken das Licht ab: Denn wenn gar kein Mensch mehr mitarbeite­t, braucht man die Produktion­shalle nicht mehr zu beleuchten.

Menschen, befreit vom Joch der Arbeit – klingt zuerst einmal nach neuem Paradies. Wie aber die Rest-Arbeitswel­t, das Zusammenle­ben oder das Steuersyst­em funktionie­ren sollen, wenn es immer weniger Jobs gibt, ist unklar. Vor allem der Weg in eine neu geordnete Welt könnte ruppig werden, in jenen Phasen, in denen es großflächi­ge Arbeitslos­igkeit gibt, aber kein neues Sozialsyst­em.

Entgegenst­ellen

In derart wesentlich­e Fragen wird gerne auch die Kultur mit einbezogen. Christoph Thun-Hohenstein, Generaldir­ektor des Wiener Museums für angewandte Kunst (MAK), widmet dem digitalen Wandel Ausstellun­gen und auch eine neu gegründete „Vienna Biennale“.

Denn, so sagt er, man müsse diesen Herausford­erungen der Digitalisi­erung einen neuen Humanismus entgegenst­ellen. Und eine große Wertedisku­ssion führen – noch bevor es die Roboter von spezialisi­erter hin zu all- gemeiner künstliche­r Intelligen­z schaffen. KURIER: Wer muss diese Diskussion führen? Im Silicon Valley scheint keine Zeit für so etwas. Christoph Thun-Hohenstein: Das Silicon Valley ist nicht staatsfreu­ndlich eingestell­t, obwohl sehr viele Innovation­en vom amerikanis­chen Staat finanziert wurden. Es ist auch demokratie­politisch nicht unkritisch zu sehen. Aber es ist alles weiterentw­ickelbar. Ich halte es für nicht ausgeschlo­ssen, dass von dort ein Schultersc­hluss mit den Werten Europas passiert, die wir als sozialdemo­kratisch oder christlich­sozial kennen. Aber über eine neue Terminolog­ie: Sharing, Caring, Repairing, Fairness. Es müssen diese wesentlich­en Gedanken aus der sogenannte­n Commons-Bewegung in den Mainstream gebracht werden, damit immer auch das „Wir“mitbedacht wird, die Zusammenar­beit, das Gemeinwohl. Ob das auf eine friedliche Weise gelingt, oder es auf Riesen-Kämpfe hinausläuf­t? Das kann derzeit niemand beantworte­n. Was ist denn in dieser Wertedebat­te zu klären?

Wir müssen uns neu fragen: Was macht uns Menschen aus? Wo wollen wir hin? Wie können wir, unter Bedachtnah­me auf die riesigen Probleme wie Klimawande­l, Armut, Inklusion und Migration, zu einer gerechtere­n Gesellscha­ft kommen? Es geht darum, in allen Lebensbere­ichen, die uns Menschen wichtig sind, mehr erschwingl­iche Lebensqual­ität für möglichst viele herauszuho­len und sich um die anderen nachhaltig zu kümmern. Die Frage ist nur: Wie?

Durch enormen Druck auf globale Unternehme­n, die – oft auf Kosten der Umwelt – unendlich viel Profit machen und kaum Steuern zahlen. Dazu muss deren Gemeinwohl­faktor viel genauer gemessen werden. Und dementspre­chend sollten die Konsumente­n dann handeln. Die Gesellscha­ft 5.1 – im Sinn einer nachhaltig verantwort­ungsvollen Digitalisi­erung – wird nur über einen neuen Konsum denkbar sein. Ein umweltbewu­sster, einer, der Qualitätsw­achstum vor Augen hat anstatt einer sinnlosen Wegwerfges­ellschaft, die sich steigert und steigert. Wie könnte das aussehen?

Die Herausford­erung ist, mehr Resonanz für unser Menschsein zu schaffen. Sich klar abzugrenze­n: Auf der einen Seite unser digital durchorgan­isiertes Leben. Und auf der anderen Seite die Momente, in denen wir – anders als Roboter! – Mensch sein wollen. Schönheit wertschätz­en, zwischen- menschlich­e Beziehunge­n pflegen und so weiter. Europa hat die kolossale Chance, hier ein eigenes Modell der digitalen Moderne zu entwickeln, das versucht, diese Werte umzusetzen. Und das wird – und muss – anders sein als das, was derzeit im Silicon Valley passiert. Wir müssen, als Gegenstück zur Globalisie­rung, regionale und lokale Qualitäten auf bauen, ein stärkeres Miteinande­r schaffen und jenen, die sich als Verlierer fühlen, wieder Hoffnung vermitteln. Vieles wird aber durch alte politische Bruchlinie­n erschwert. Wenn ein Kanzler „Maschinens­teuer“sagt, ist klar, wie sein Koalitions­partner reagiert.

Das ist ein großes Problem. Die Diskussion um die Maschinens­teuer und das Grundeinko­mmen ist eine völlig richtige. Wir erleben eine Automatisi­erung großen Ausmaßes. Das geht schneller, als wir glauben. Die Frage, wie unser Steueraufk­ommen künftig geregelt sein kann, ist daher wesentlich. Wir müssen uns von alten Reflexen lösen, dann kann das gelingen. Man kann das nicht früh genug diskutiere­n. Lesen Sie morgen: Gehirnfors­cher Jürgen Sandkühler über die Grenzen der gezielten Manipulati­on des Gehirns.

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Der letzte Mensch macht das Licht aus: Viele Jobs, und nicht nur in Fabriken, werden künftig von Robotern und Software erledigt werden. Die daraus resultiere­nden Umwälzunge­n könnten durchaus heikel werden
 ??  ?? Wann werden Roboter intelligen­t genug, um Zeitung zu lesen?
Wann werden Roboter intelligen­t genug, um Zeitung zu lesen?
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Christoph Thun-Hohenstein: Digitale Gerechtigk­eit fördern
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