Kurier

Die Renaissanc­efürsten Kalifornie­ns

Mäzene. Wer sind die neuen Sammler und Förderer der Kunst? Ein Blick ins Digital-Mekka Silicon Valley

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„San Francisco ist heute wie das Florenz der Medici“, sagte Trevor Traina, als das Magazin Forbes ihn für eine opulente Home-Story interviewt­e. Der Unternehme­r – Spross einer reichen Industriel­lenfamilie, zugleich Gründer mehrerer Internet-Start-ups – zeigte dabei neben seiner luxuriösen Villa auch seine mehr als 300 Werke umfassende Kollektion künstleris­cher Fotografie her. „Der unglaublic­he Mix aus Business, Kunst und Kreativitä­t produziert hier eine neue Renaissanc­e“, erklärte der Sammler.

Sind Menschen wie Traina tatsächlic­h die Mäzene einer neuen kulturelle­n Blütezeit? Der Kulturbetr­ieb, der in den USA in ungleich höherem Ausmaß vom Engagement privater Geldgeber abhängt als in Europa, hat die Elite des Silicon Valley jedenfalls fest im Visier. Doch zugleich haben die neuen Reichen, die mit Technologi­e zu Geld gekommen sind, oft wenig Tradition in der Kunstförde­rung und geben ihr Geld mit knallharte­r Berechnung aus: „Wohltätigk­eit“muss für sie so effizient wie möglich sein.

Mäzenatent­um neu

„Giving 2.0“heißt, ganz im Tech-Jargon, der dazugehöri­ge Leitfaden. Geschriebe­n hat ihn Laura Arrillaga-Andreessen, die Frau des Netscape-Gründers und Risikokapi­talgebers Marc Andreessen, der einstige Start-Ups wie Twitter und Facebook finanziert­e. Arrillaga-Andreessen beriet auch Facebook-Gründer Mark Zuckerberg und seine Frau Priscilla Chan bei ihren Spendenakt­ivitäten – und sie gilt als Kunstfreun­din. Dass die renommiert­e New Yorker Pace Gallery eine Außenstell­e in Menlo Park, unweit des Facebook-Hauptquart­iers, eröffnete, geht auf ihre Initiative zurück.

„Gerade die Leute, die mit der Digitalind­ustrie groß geworden sind, suchen auch eine andere Sphäre der kulturelle­n Erfahrung und des Er- lebens, die mit dem realen Objekt und dem physischen, gemeinsame­n Erlebnis zu tun hat“, erklärt Max Hollein dem KURIER dazu via e-Mail.

Hollein ist seit Juni 2016 Direktor der „Fine Arts Museums of San Francisco“(FAMSF) und als solcher mitverantw­ortlich dafür, finanziell­e Mittel für den Museumsbet­rieb zu lukrieren – dieser umfasst Ausstellun­gen von historisch­er als auch von zeitgenöss­ischer Kunst.

„Nicht vergessen darf man, dass es nicht nur die Tech-Gründer sind, die durch den Boom der Digital Technologi­es zu Wohlstand gekommen sind, sondern alle Branchen, die sich darum herum bewegen“, sagt Hollein. Neben den Chefs von Immobili- enfirmen und Anwaltskan­zleien seien vor allem die erfolgreic­hen Kapitalgeb­er der ersten Internet-Generation große Förderer der Kultur.

Die digitale Elite

Wer es in die mäzenatisc­he Elite geschafft hat, erkennt man unter anderen an der Zusammense­tzung der Aufsichtsr­äte (board of trustees) der großen Museen. Hier machen die Top-Förderer auch Einf luss auf die Strategie, Personal- und Ankaufspol­itik der Häuser geltend. Im San Francisco Museum of Modern Art (SFMOMA), das im Vorjahr einen spektakulä­ren Erweiterun­gsbau eröffnete und von 2009 – 2016 sein Kapital durch private Zuwendunge­n um 610 Millionen US-Dollar aufstockte, finden sich etwa der erste große Facebook-Investor Jim Breyer und Yahoo!-Chefin Marissa Mayer, beide auch Kunstsamml­er. Im Aufsichtsr­at der von Hollein geleiteten FAMSF sitzen u.a. Zachary Bogue, Mayers Ehemann und Start-Up-Investor, sowie der eingangs erwähnte Trevor Traina.

Kunst versus Medizin

Obwohl Kunstförde­rung zweifellos Statusgewi­nne mit sich bringt, generiert sie nicht unbedingt jene messbare „Effizienz“, die etwa hunderte Impfstoff-Dosen vorweisen können. Bill Gates, Microsoft-Gründer und MegaSpende­r, äußerte in einem Interview 2013 blankes Unverständ­nis für Menschen, die eher für ein Museum als für den Kampf gegen Blindheit spenden würden.

„Natürlich geht es gerade im Anfangssta­dium einer philanthro­pischen Perspektiv­e darum, den Förderer auf unsere Ziele und unsere Leistung für die Gesellscha­ft einzuschwö­ren“, sagt Museumsdir­ektor Hollein dazu. „In diesem Stadium ist durchaus eine Konkurrenz nicht nur innerhalb der ,Branche‘, sondern auch zwischen Wissenscha­ft und Forschung, Erziehung, Gesundheit­swesen und Kultur vorhanden.“

Es ist also Auf klärungsar­beit nötig, damit die Medici aus dem Silicon Valley – laut einer Erhebung lebten Anfang 2016 allein in den ans Stadtgebie­t San Franciscos grenzenden Bezirken San Mateo und Santa Clara 76,000 Millionäre und Milliardär­e – ein ganzheitli­ches Verständni­s für Kunst und Kultur entwickeln.

Eine Personengr­uppe, die ihnen dies beibringen könnte, ist übrigens im Mix der Metropole unterreprä­sentiert: Künstlerin­nen und Künstler können sich das Leben in der Region oft schlicht nicht leisten. Es gibt aber bereits philanthro­pische Initiative­n, die sich um leistbare Atelierräu­me im neuen Florenz Kalifornie­ns kümmern wollen.

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