Falkenstein: Magischer Kultweg über den Wolfgangsee
St. Wolfgang. Einer der wichtigsten europäischen Wallfahrtsorte im Mittelalter – Einsiedler zogen sich auf den Falkenstein zurück
Die ersten Reisen gab es vermutlich im Alten Ägypten. Es waren Wallfahrten zu den Tempeln der Götter. Das Pepimobil bringt mich zu keinem Tempel, sondern zum wichtigsten Wallfahrtsort im europäischen Mittelalter – neben Rom und Santiago de Compostela. Die Reise beginnt am späten Nachmittag mit einer Schiffsfahrt von St. Wolfgang nach St. Gilgen. Von da ist es nicht weit zur Ortschaft Fürberg. Hier beginnt ein historischer Pilgerweg über den Falkenstein nach St. Wolfgang.
24 beschilderte Erlebnispunkte dokumentieren seine besondere Bedeutung – von den Kultstätten der Urzeit über die christliche Missionierung durch den heiligen Wolfgang bis zum mittelal- terlichen Wallfahrtsboom. Der gut begehbare Weg führt eine knappe Stunde entlang des Wolfgangsees. Stellenweise ist er aus dem Fels geschlagen und mit soliden Geländern abgesichert. Nur die Lichter am anderen Ufer des Wolfgangsees begleiten den Wanderer. Es ist dunkel und kein Laut außer den eigenen Schritten ist zu hören. Innere Ruhe kehrt ein. In dieser magischen Stille wird das Wort von Laotse bestätigt: „Tiefe Ruhe ist die Bewegung in sich selbst.“
Steine wie Sünden
Dann verlässt der Weg das Seeufer. Der eigentliche Pilgerweg beginnt – mit Laternen beleuchtet und von Kreuzwegstationen begleitet. Er ist auch Teil des Europäischen Pilgerweges Via Nova. Zur ersten Rast auf dem Aufstieg zum 200 Meter höheren Falkenstein lädt ein großer Steinhaufen bei einer Kapelle. Pilger haben Steine mitgebracht und hier abgelegt: Je schwerer der Stein, desto mehr Sünden wurden vergeben. Die Stimmung erinnert an die mystische Atmosphäre, die der Schriftsteller Lernet-Holenia in seiner Erzählung „Strahlenheim“schildert. Nach seinen Worten begeht der Pilger einen „heiligen Weg“. Dem winterlichen Pilgerweg folgend gelangen wir zur Wolfgang-Kapelle. Der Legende nach soll sich der Bischof von Regensburg im Jahr 976 hier zum Fasten und Gebet als Einsiedler zurückgezogen haben. Wer das Glöckchen drei Mal zum Klingen bringt, dessen Wünsche werden erfüllt. Eine ähnliche Funktion soll auch der „Durchkriechstein“haben. Es ist ein schmaler Felsspalt, in dem der Teufel den Heiligen zermalmen wollte. An diesem Ort beschloss Wolfgang, im Tal eine Kirche zu bauen. Den Ort des Baus überließ er durch seinen berühmten „Beilwurf “einer göttlichen Fügung. Er warf eine Hacke mit dem Gelöbnis, dort, wo er sie wiederfände, eine Kirche zu errichten. Er fand das Beil nach drei Tagen und machte sein Gelübde wahr. Rund um das Gotteshaus, in dem auch seine Gebeine ruhen, entstand das heutige St. Wolfgang. Der Heilige wird bis ins unsere Tage als Patron der Bildhauer, Holzarbeiter und Hirten ver- ehrt. Bis ins 19. Jahrhundert sind Einsiedler dem Vorbild Wolfgangs gefolgt und haben sich auf den Falkenstein zurückgezogen. So auch Verwandte von Mozart, der mütterlicherseits aus St. Gilgen stammt.
Berühmt war das in Richtung See gerufene Echo: „Heiliger Wolfgang, bist da, wennst da bist, schreist ja“, worauf ein deutliches „Ja“zu hören war.
Uferpromenade
Vorbei an mehreren teilweise aus vorchristlicher Zeit stammende Steindenkmälern führt der Weg wieder hinunter zum Wolfgangsee. Die flache Uferpromenade gibt Gelegenheit, die vielen Eindrücke dieses uralten Kultweges in sich wirken zu lassen. Wie recht hatte doch Meister Eckehart mit seiner Erkenntnis: „Horche auf deine innere Uhr und du wirst merken, dass schon viel zu viel Zeit vergangen ist, von der du nicht weißt, wo sie geblieben ist.“