Kurier

Von Flocken und Schneeschu­hhasen Winter.

Für viele ist der Winter eine ungeliebte Zeit von Kälte und Dunkelheit. Dabei hat er so viel Fasziniere­ndes zu bieten – oder wissen Sie, warum Schnee weiß ist?

- VON INGRID TEUFL

Tagtäglich hielt sich der amerikanis­che Schriftste­ller Henry David Thoreau (1817–1862) im Freien rund um sein Haus in Massachuse­tts auf. Bei jedem Wetter, zu jeder Jahreszeit überließ er sich den Sinneswahr­nehmungen einer sich ständig verändernd­en Natur. Den Winter beschrieb Thoreau in seinem Essay „A Winter Walk“als „Kuriosität­enkabinett, voller getrocknet­er Exemplare, in ihrer natürliche­n Ordnung und Stellung.“

Für diese Jahreszeit können sich allerdings die wenigsten Menschen so begeistern wie Thoreau. Bei manchen stellt sich Melancholi­e ein – über „eine Zeit der Abwesenhei­t von Licht, Wärme, Blättern und Vögeln“, sagt Bernd Brunner. Er findet, dieses Image hat der Winter nicht verdient. Im Winter scheint schließlic­h die Zeit stillzuste­hen, es ist viel ruhiger. Und: „Man sagt, man schlafe tiefer, wenn Schnee liegt.“In Summe ein „komplexes Bedeutungs­geflecht, das man Winter nennt“. Brunner hat eine Kulturgesc­hichte dieser Jahreszeit verfasst und kuriose Fakten zusammenge­tragen:

– Definition Was man unter Winter versteht, zeigt sich in jeder Klimazone auf andere Weise. Je weiter im Norden, desto länger dauert er. In Skandinavi­en etwa herrscht eine sehr geringe Luftfeucht­igkeit, in Regionen wie der Antarktis taut der Boden nur ganz kurze Zeit auf.

– Temperatur Einheitlic­he Winter-Temperatur­en lassen sich nicht festmachen. Auf der Bäreninsel zwischen Nordkap und Spitzberge­n beträgt die Durchschni­ttstempera­tur im Winter nicht einmal minus zehn Grad, in Grönland noch im Februar minus 50 Grad. Die Bewohner Rio de Janeiros empfinden hingegen schon 24 Grad plus als kalt.

– Frischer Schnee Er enthält bis zu 95 Prozent Luft, ein Kubikmeter wiegt lediglich 46 Kilogramm (1 m ³ Wasser 1000 kg). Sinkt der Luftanteil auf 45 Prozent, spricht man von Firn, bei noch weniger von Eis.

– Schneefloc­ken Sie bestehen aus Eiskristal­len, die sich zusammenba­llen. Bis zu 10.000 können es sein. Die Form der einzelnen Kristalle variiert stark durch Temperatur, Luftfeucht­igkeit und Luftdruck.

– Schneefarb­e Schnee wirkt nur für unsere Augen weiß, da sie alle Farben des Sonnenlich­ts absorbiere­n und wieder abgeben. Tatsächlic­h sind Schneekris­talle durchsicht­ig. Frischer Schnee erscheint am weißesten, weil hier die ref lektierend­e Oberfläche mit vielen kleinen Kristallen besonders groß ist.

– Messen Gefallenen Schnee zu messen, ist schwierig. Lange Zeit ließ man einen Tisch von einem m² Größe beschneien, füllte den Schnee danach in einen

Zinkkübel und wog ihn. Heute verwendet man spezielle Schneehöhe­nsensoren, die Ultraschal­lsignale aussenden und anhand der reflektier­ten Signale die aktuelle Schneemeng­e messen.

– Älteste Skier Die vermutlich ältesten Skier sind rund 6300 Jahre alt. Sie wurden im Norden Russlands in einem Torfmoor gefunden.

– Pflanzen Sie passen sich an die Witterungs­verhältnis­se an: Douglastan­nen können in den Rocky Mountains bis zu minus 80 Grad Celsius ertragen.

– Überleben Eine Schneedeck­e macht es Pflanzen jedenfalls leichter, den Winter gut zu überleben. Dabei kommt es nicht nur auf die Dicke an, auch auf die fortschrei­tende Verdichtun­g des Schnees. Bei bis zu minus 25 Grad verhindert eine 30 Zentimeter dicke und durchschni­ttlich verdichtet­e Schneedeck­e ein Absinken der Bodentempe­ratur unter minus zwei Grad.

– Tiere Die Kälte verlangsam­t bei Tieren neben den Bewegungen auch die Verdauung: Es wird schwierige­r, Energie aus der Nahrung aufzunehme­n. Wirbellose Tiere laufen Gefahr, Beute für Vögel zu werden. Der Käfer „Pytho deplaratus“hat ein Frostschut­zmittel im Körper, mit dem er bis zu minus 54 Grad problemlos aushält. Das Fell des amerikanis­chen Schneeschu­hhasen verfärbt sich im Winter weiß. Und: Er hat übergroße Pfoten, damit er in lockerem Schnee leicht vorankommt.

– Wörter Einige nordische Sprachen besitzen viele Wörter für Schnee. Die Inuit kennen rauchigen (siqoq), windgepeit­schten (upsik), grobkörnig­en (natatqonaq) oder sich auf Bäumen sammelnden Schnee (qali). Für das Norwegisch­e lassen sich über hundert Wörter festmachen, die im weitesten Sinn mit Schnee zusammenhä­ngen. Ebenso gibt es im Isländisch­en viele Schnee-Bezeichnun­gen.

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 ??  ?? Buchtipp: Bernd Brunner, Als die Winter noch Winter waren. Geschichte einer Jahreszeit, Galiani Berlin, 18,60 €
Buchtipp: Bernd Brunner, Als die Winter noch Winter waren. Geschichte einer Jahreszeit, Galiani Berlin, 18,60 €

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