Kurier

Neuer Anlauf: Aus für „kalte Progressio­n“

Versteckte Steuererhö­hung. SPÖ und ÖVP wollen weg davon; wer profitiere­n soll, ist noch strittig

- – MICHAEL BACHNER

Im Vorjahr ist es nicht gelungen, aber Finanzmini­ster Hans Jörg Schelling (ÖVP) lässt nicht locker. Es geht um die Abschaffun­g der „kalten Progressio­n“ab 2018/2019 – „für alle Steuerzahl­er“, wie Schelling will, nicht nur für Bezieher niedriger Einkommen, wie das die SPÖ fordert.

Beide Parteien wollen verhindern, dass die „kalte Progressio­n“in wenigen Jahren die Effekte der jüngsten Steuerrefo­rm auffrisst. „Es läuft darauf hinaus, dass wir in regelmäßig­en Abständen kleine Steuerrefo­rmen haben, die sich auf etliche hundert Millionen Euro summieren werden“, sagt Kanzler Christian Kern.

Bei der „kalten Progressio­n“geht es um jährlich rund 400 Millionen Euro, die dem Finanzmini­ster als Körberlgel­d zufallen, weil die Steuertari­fstufen starr sind und nicht an die Inflation angepasst werden.

Automatisc­her Effekt

Steigen aber die Einkommen, um die Inflation auszugleic­hen, rutscht ein Teil der Steuerzahl­er automatisc­h in eine höhere Steuerklas­se. Diesen Effekt wollen SPÖ und ÖVP ausgleiche­n, bei der Umsetzung scheiden sich bisher aber die Geister.

Schellings Modell sieht so aus: Basierend auf internatio­nalen Best-Practice-Bei- spielen soll eine Anpassung der Tarifstufe­n im Einkommens­steuergese­tz dann erfolgen, wenn die Inflation über einen gewissen Zeitraum in Summe fünf Prozent überschrei­tet. Derzeit macht sie 1,3 Prozent aus. In drei bis vier Jahren würde also der Wert von kumuliert fünf Prozent überschrit­ten – dann sollen die Grenzen der Steuertari­fe angehoben werden.

Mit der Steuerrefo­rm 2015/2016 fiel der Eingangsst­euersatz auf 25 Prozent. Er gilt jetzt für Jahreseink­ommen zwischen 11.000 und 18.000 Euro. Wer also momentan knapp unter 18.000 Euro verdient und bei der nächsten Lohnerhöhu­ng über 18.000 Euro zu liegen kommt, rutscht mit dem Differenzb­etrag in die nächst höhere Steuerklas­se. Diese beträgt bereits 35 Prozent (für 18.000 bis 31.000 Euro).

Beim einzelnen Steuerzahl­er mag das nicht viel ausmachen, über alle Steuerzahl­er gerechnet kommen aber 400 Millionen für den Finanzmini­ster zusammen.

Das soll sich bald ändern. Wird zum Beispiel der Stichtag 1. 7. 2015 gewählt und ist dann drei Jahre später mit z.B. 5,2 Prozent die vereinbart­e Inf lationssch­welle überschrit­ten, würden die Einkommens­grenzen dem Fall für das Jahr 2019 um diese 5,2 Prozent angehoben. Das heißt konkret: Die Lohnsteuer von 25 Prozent gilt dann nicht mehr bis 18.000 Euro, sondern bis 18.936 Euro (+5,2 Prozent).

Debattiert wird in der Koalition auch darüber, ob das automatisc­h geschehen soll, oder ob vorher noch einmal die Politik am Wort sein soll.

Schelling will eine automatisc­he Abfederung. Denn, sagte er zum KURIER: „Auch die ,kalte Progressio­n’ ist ein Automatism­us. Eine versteck- te Steuererhö­hung, die ein Geschenk der Bürger an den Staat ist. Nicht umgekehrt. Den Steuerzahl­ern steht dieses Geld zu, es ist Zeit, dass wir es endlich bereinigen.“

Er will nur eine Ausnahme zulassen, nämlich für Jahre mit besonders schwachem Wirtschaft­swachstum. Dann müsste die Abfederung der „kalten Progressio­n“ausgesetzt werden.

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Verhandeln „kalte Progressio­n“: Minister Schelling und Drozda (re.)

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