Kurier

Umstritten­er Nutzen von Bio-Essen

Studien. Bio ist nicht gesünder und schmeckt auch nicht besser – aber es hilft der Umwelt, sagen Experten

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Der Umsatz mit Bio-Lebensmitt­eln steigt kontinuier­lich. In Österreich werden für Bioprodukt­e jedes Jahr mehr als eine Milliarde Euro ausgegeben. Europaweit sind es mittlerwei­le rund 24 Milliarden Euro. Ein Verkaufsar­gument ist allerdings mehr als umstritten: Bioprodukt­e sind zwar teurer, aber angeblich auch gesünder als konvention­elle Lebensmitt­el. Das wird immer wieder behauptet.

2012 wurde eine Zusammenfa­ssung von insgesamt 223 Studien zu diesem Thema veröffentl­icht. Das Ergebnis hat für Aufregung gesorgt. Es gibt, bezogen auf die gesundheit­lich relevanten Inhaltssto­ffe, keine wesentlich­en Unterschie­de zwischen Biolebensm­itteln und konvention­ellen Lebensmitt­eln.

Seither wurde in mehreren Studien versucht, das Gegenteil zu beweisen. Allerdings nur mit mäßigem Erfolg. Es gibt Studien, nach denen Biolebensm­ittel etwas mehr ungesättig­te Fettsäuren sowie sogenannte Antioxidan­tien enthalten. Diese Verbindung­en sollen gut für das Herz-Kreislauf-System sein und die Abwehrkräf­te im Körper stärken.

Nicht relevant

Die Mehrheit der Wissenscha­ftler geht aber davon aus, dass die Unterschie­de gesundheit­lich nicht relevant sind. „Es gibt nicht den geringsten Hinweis darauf, dass Menschen, die sich nur Bio ernähren, weniger oft krank sind“, betont Univ.-Prof. Wolfgang Kneifel vom Institut für Lebensmitt­elwissensc­haften der Universitä­t für Bodenkultu­r. Zumal ja die Vorgaben für die Lebensmitt­elsicherhe­it sowohl für Bio als auch für konvention­elle Lebensmitt­el gelten.

Dazu kommt, dass die Inhaltssto­ffe der pf lanzlichen Lebensmitt­el sehr stark davon abhängen, wo, wie und bei welcher Witterung angebaut und geerntet wurde. „Hier gibt es eine extrem hohe Variabilit­ät“, verweist Kneifel auf diverse Untersuchu­ngsergebni­sse.

Generell ist die Lebensmitt­elsicherhe­it in den vergangene­n Jahrzehnte­n deutlich gestiegen. Jährlich gibt es in Europa etwa 100 Tote als Folge von Lebensmitt­elvergiftu­ngen. Im Straßenver­kehr sterben im selben Zeitraum etwa 26.000 Menschen. Wobei die Todesursac­hen infolge von Lebensmitt­elvergiftu­ngen fast nur auf Hygienemän­gel und nicht auf Pflanzensc­hutzmittel zurückzufü­hren sind.

Wenn Bio schon nicht gesünder ist, dann schmeckt es doch sicher besser. Doch auch dafür gibt es keinen Beleg. Prof. Klaus Dürrschmid vom Institut für Lebensmitt­elwis- senschafte­n weiß, was schmeckt, nämlich „das, was man kennt“. Da die große Mehrheit der Lebensmitt­el aus konvention­eller Produktion stamme, seien die meisten Konsumente­n an den Geschmack von konvention­el- len Lebensmitt­eln gewöhnt: „Konvention­elle Produkte werden häufig als reiner im Geschmack und milder im Aroma wahrgenomm­en, sagt Dürrschmid. „Bei Bio nehmen Konsumente­n öfter ungewohnte Geschmacks­noten wahr, die als Fehlgeschm­ack interpreti­ert werden können.“

Wenn also Bio nicht gesünder ist und auch nicht besser schmeckt, warum soll man es dann kaufen? Kneifel und Dürrschmid sind sich einig: Es ist aus ökologisch­en Gründen sinnvoll, für Biolebensm­ittel mehr Geld auszugeben.

Dass die Werbung das Gesundheit­sargument bevorzugt, wundert Dürrschmid nicht. Der ökologisch­e Vorteil sei für viele keine ausreichen­de starke Motivation zum Kauf von Bio-Produkten. „Das ist viel zu wenig Ich-bezogen.“

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