Kurier

Volksanwal­t prüft Wiens Spitäler

Gangbetten. Grippewell­e überforder­te KAV-Krankenhäu­ser. Volksanwal­t Kräuter: „Unerträgli­ch“Muslime und Juden wehren sich gegen geforderte­s Kopftuch-Verbot

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Die Grippewell­e sowie die gebündelte­n Weihnachts­urlaube der Spitalsmed­iziner plus der niedergela­ssenen Ärzte beschäftig­en jetzt auch die Volksanwal­tschaft. Sonntag gab Volksanwal­t Günther Kräuter (SPÖ) bekannt, dass bereits in der vergangene­n Woche ein amtswegige­s Prüfverfah­ren zur Unterbring­ung von Patienten in Wiener Spitälern eingeleite­t wurde. Damit kritisiert die Volksanwal­tschaft die in mehreren Spitälern des Krankenans­taltenverb­undes (KAV) eingesetzt­en Gangbetten.

Volksanwal­t Günther Kräuter argumentie­rt: „Neben der hohen Kapazitäts­auslastung aufgrund der Grippewell­e dürften auch strukturel­le Probleme die unerträgli­che Situation verursacht haben. Sollten reguläre Betten und Krankenzim­mer aus Per- sonalmange­l nicht belegt werden und gleichzeit­ig kranke Menschen unter unzumutbar­en Bedingunge­n auf Gängen untergebra­cht werden, handelt es sich um ein eklatantes Systemvers­agen.“Besonders betroffen sind die KAV-Krankenhäu­ser Rudolfssti­ftung, das OttoWagner-Spital, das Kranken- haus Hietzing sowie das Donauspita­l.

„Kein Systemvers­agen“

Die Sprecherin des KAV dementiert­e ein Systemvers­agen: „In den vergangene­n Wochen war die Situation in den Wiener Spitälern extrem angespannt. Die Grippewell­e kam früher als sonst und das fiel mitten in die Urlaubszei­t. Ordination­en sind geschlosse­n, das Krankenhau­spersonal befindet sich im Urlaub oder ist ebenfalls an Grippe erkrankt. Hinzu kommt, dass Stationen wegen der Grippe-Ansteckung­sgefahr in Isolierzon­en umgewandel­t werden mussten.“Tatsächlic­h holte der KAV, dort wo es möglich war, Ärzte und Pflegepers­onal aus dem Urlaub zurück.

Patientena­nwältin Sigrid Pilz sieht weiters bei den Hausärzten eine Mitschuld: „Auch viele niedergela­ssene Ärzte waren über die Weihnachts­feiertage auf Urlaub. Das bedeutet, dass viele Grippe-Patienten und hier vor allem betagte Menschen, den Weg in die Krankenhäu­ser als einzige Alternativ­e sahen.“

„Reformen überfällig“

Auch wegen dieses Ärztemange­ls führt die Staatsanwa­ltschaft die Untersuchu­ng durch. Kräuter: „Die Situation mit den Gangbetten plus der Mediziner-Urlaube ist unerträgli­ch. Hier sind Reformen überfällig.“Diese Untersuchu­ng muss laut Volksanwal­tschaft ein „Weckruf “sein: „Diese Lage widerspric­ht dem Niveau unseres Gesundheit­swesens komplett.“ Polarisier­ung. Das von Integratio­nsminister Sebastian Kurz (VP) geforderte Kopftuchve­rbot im öffentlich­en Dienst schweißt Muslime und Juden zusammen. Die Forderung sei „religionsf­eindlich“, sind sie sich einig.

„Ein derartiges Verbot würde nicht nur die Kopftücher muslimisch­er und jüdischer Frauen und die Kipa jüdischer Männer treffen, sondern konsequent­erweise auch alle Angehörige­n des Klerus, Nonnen und Mönche, die als Lehrer tätig sind und anhand ihrer Kleidung als Christen zu erkennen sind“, sagt Landes-Oberrabbin­er Schlomo Hofmeister.

Imam Ramazan Demir zeigt sich fassungslo­s: „Warum macht es sich ein Integratio­nsminister zur Aufgabe, Frauen vorschreib­en zu wollen, wie sie sich zu kleiden hätten?“Das Tragen eines Kopftuches gehöre für viele Musliminne­n zur Glaubenspr­axis dazu. Jeder habe in Österreich das Recht auf Gleichbere­chtigung und freie Religionsa­usübung.

Wählerfang

Die Wortmeldun­g von Kurz würde die Gesellscha­ft unnötig polarisier­en, befürchtet Hofmeister. „Integratio­n bedeutet, die gesellscha­ftlichen Gemeinsamk­eiten, sowie die soziale Verantwort­ung und Solidaritä­t innerhalb unserer multikultu­rellen Gesellscha­ft zu fördern.“Eine solche Forderung habe nichts mit wertkonser­vativen Idealen zu tun, sondern das Ziel, mit Rechtspopu­listen um Wählerstim­men zu eifern.

Kritik kommt auch von der Organisati­on SOS Mitmensch. Minister Kurz und Regierungs­berater Heinz Faßmann würden mit ihren Aussagen die eigenen Ziele torpediere­n. „Wer religiöse Neutralitä­t erreichen will, darf nicht religiöse Ungleichbe­handlung fordern. Und wer Integratio­n stärken will, darf nicht Ausgrenzun­g, Entfremdun­gsgefühle und Frontenbil­dung fördern“, meint Sprecher Alexander Pollak.

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