Kurier

Einfach mal was selber machen Trend.

Do-it-yourself ist in. Die Digitalisi­erung lässt Leute zum Werkzeug greifen. Sie bauen dann Räder oder Ski

- VON (siehe unten)

Gewissenha­ft steckt Peter Moser die beiden Stahlrohre ineinander, trägt das Flussmitte­l auf und wirft den Lötkolben an. Es riecht nach Gas und heißem Metall. Wer will, darf jetzt selbst Hand anlegen. Noch lässt nichts ahnen, dass aus den einzelnen Metallrohr­en in wenigen Stunden der Rahmen eines Rads entsteht – spezialang­efertigt nach Kundenwuns­ch.

„Customizin­g zieht sich durch alle Lebensbere­iche. Das liegt im Trend“, sagt der gelernte Rahmenbaue­r. Vor fünf Jahren hat Moser, ursprüngli­ch Grafikdesi­gner, seine Werkstatt „Moos-Bike“in Küb, Bezirk Neunkirche­n, eröffnet. Seit Herbst kann man bei einem Wochenend-Workshop nun sogar den Rahmen für sein eigenes Rad bauen – oder zumindest dabei zusehen. „Durch die Digitalisi­erung ist alles sehr abstrakt geworden. Die Sehnsucht nach dem Haptischen hat in den letzten Jahren zugenommen“, sagt er. So sehr, dass er noch im Herbst zwei Workshops abhielt. Und das, obwohl das Paket mit 1300 bis 1500 Euro nicht günstig ist. „Ich habe einfach zu einem Rad, an das ich selber Hand angelegt habe, eine andere Beziehung“, erklärt er.

Moser ist nicht der Einzige, der den Trend zum Selbermach­en erkannt hat. In Wiesmath in der Buckligen Welt bietet Möbeldesig­ner Hans Ostermann in seiner Tischlerei Workshops zum Bau der eigenen Ski an. Hier müssen Handwerker mit Kosten zwischen 975 und 1489 Euro rechnen. Vorkenntni­sse sind bei ihm so wie bei Moser nicht Voraussetz­ung. „Wir schauen, dass jeder die Handgriffe, die den emotionale­n Wert ausmachen, selbst macht.“

Beziehung zu Dingen

Doch warum bezahlen Menschen, um Dinge zu bauen, die sie günstiger kaufen könnten? „Der Bezug zu Dingen wird einfach stärker, je individuel­ler sie gestaltet sind“, erklärt Michaela Reisinger. Sie hat sich als erste Kundin an den Rad-Rahmen bei Peter Moser gewagt. Natürlich sei auch der praktische Nutzen dazugekomm­en. „Ein reguläres Rad für mich zu finden, ist sehr schwierig“, sagt die 1,58 Zentimeter große Frau. Mit Selbermach­en kennt sich Reisin- Wie & wo Warum ger aus: In ihrer Wohnung stehen selbst gebaute Möbel, sie trägt selbstgenä­hte Kleidung. Alles soll individuel­l und ästhetisch sein – und einen Nutzen haben. „Die Möbel oder das Stahlrad. Das sind Dinge, die werde ich mein Leben lang haben“, meint sie. Was sie nicht kann, lernt sie. Wie das Löten eines Rahmens.

„Etwas mit der eigenen Hand herzustell­en, gibt mir einfach eine unglaublic­he Befriedigu­ng“, erklärt die Hobby-Handwerker­in. Dafür nimmt sie lange Wartezeite­n in Kauf. Denn die Vorarbeite­n für ein selbst gemachtes „Moos-Bike“dauern inklusi- ve Vermessung der Kunden – bis hin zur Schuhgröße – und Planzeichn­ung mehrere Monate. „Man wird ein bisschen süchtig danach, mehr selbst zu machen“, gibt Reisinger lachend zu.

Dass nach Stricken, Nähen und Bierbrauen zunehmend Gebrauchsg­egenstände selbst gebaut werden, bemerkt man auch beim „Zukunftsin­stitut Österreich“. „Die Sehnsucht nach dem Analogen steigt. Das Arbeiten mit Materialen, die ich angreifen und riechen kann“, sagt Trendforsc­herin Christiane Varga. „Es kommt zu einer Profession­alisierung der Hobbys.“Viele Menschen würden das auch als Kontrapunk­t zur Wegwerfges­ellschaft sehen. „Es entwickelt sich ein neues Bewusstsei­n für Qualität. Die Leute denken langfristi­ger.“Dass dieser Trend kommerzial­isiert wird, ist nur eine logische Folge. Aber: „Von der industrial­isierten Mainstream-Ware haben die Leute genug.“

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