Kurier

Zyperns Wiedervere­inigung rückt näher

Bei Verhandlun­gen in Genf könnte es diese Woche entscheide­nde Fortschrit­te geben

- (siehe Grafik). VON ULRIKE BOTZENHART

Noch nie waren die Erwartunge­n so hoch wie jetzt, dass es nach mehr als vier Jahrzehnte­n zu einer Überwindun­g der Zypern-Teilung kommt. Die Bedingunge­n für eine Wiedervere­inigung der Mittelmeer­insel seien „besser als je zuvor“, gibt sich der UN-Sondergesa­ndte Espen Barth Eide zuversicht­lich. Nach 19 Monaten intensiver Gespräche startet heute, Montag, unter seiner Ägide eine neue Verhandlun­gsrunde in der Schweiz. Geht alles nach Plan, sitzen am Donnerstag neben den Volksgrupp­enführern hochrangig­e Vertreter der Schutzmäch­te Griechenla­nd und Türkei sowie der früheren Kolonialma­cht Großbritan­nien mit am Tisch.

Die Vorbereitu­ngen dazu liefen in den vergangene­n Wochen auf Hochtouren. Der griechisch­e Premier Alexis Tsipras informiert­e die EU-Partner über den Stand der Dinge; sein Außenminis­ter den neuen UN-Generalsek­retär Antonio Guterres. Zumindest ein „Rahmen“für eine Lösung sollte nach Einschätzu­ng des Norwegers Eide gezimmert werden können.

Wo verläuft die Grenze?

Angepeilt wird ein föderaler Staat mit zwei Bundesländ­ern. Damit ist der erste Knackpunkt vorgegeben: Wie viel Terrain des seit 1974 von türkischen Soldaten besetzten nördlichen Inselteils geht an die griechisch­e Seite? Die griechisch­en Zyprioten wollen natürlich, dass möglichst viele griechisch­e Zyprioten unter eigener Verwaltung in ihre Häuser zurückkehr­en können. Eine entspreche­nde Karte hat die griechisch-zypriotisc­he Zeitung Politis veröffentl­icht Genau so klar ist, dass die türkische Seite das nicht so einfach akzeptiere­n wird.

Der nächste Knackpunkt ist die Frage des Eigentums. 1974, nach griechisch­em Putsch und der türkischen Mi- litärinter­vention auf der Insel, mussten 160.000 griechisch­e und 40.000 türkische Zyprioten aus ihren Dörfern und Städten fliehen. Allein die Entschädig­ungen für jene, die umgesiedel­t werden müssten oder die nicht in ihre Häuser zurückkehr­en können, werden heute auf mehr als zehn Mrd. Euro geschätzt.

Entspannun­g erwarten sich die Zyprioten aber aus den reichen Erdgasvork­ommen, die unter dem Meeresbode­n im Süden der Insel schlummern. Ab 2018 soll Erdgas gefördert werden.

Woraus nährt sich der Optimismus auf eine Verhandlun­gslösung? Wie aus Diplomaten­kreisen sickerte, drängen vor allem die türkischen Zyprioten wegen der zunehmende­n Islamisier­ung ihrer Schutzmach­t Türkei auf eine Wiedervere­inigung der Insel.

Volksabsti­mmungen

Die Zeit drängt auch durch die von Ankara betriebene Ansiedlung von Festlandtü­rken auf der Insel. Muss doch jede politische Lösung in beiden Inselteile­n in getrennten Volksabsti­mmungen abgesegnet werden. 2004 ist das schon einmal schiefgega­n- gen: Damals stimmte der türkische Norden für den UNWiederve­reinigungs­plan, der griechisch­e Süden aber dagegen – aus Misstrauen gegenüber Ankara.

Die Türkei pocht auf ihren Schutzmach­tstatus und will den Einf luss auf die strategisc­h wichtige Insel im Mittelmeer nicht so leicht aufgeben. Dafür bedarf es eines sehr guten Angebots an Ankara – und das könnte von der EU kommen. Konkret: Wenn die türkische Regierung die Republik Zypern, seit 2004 EU-Mitglied, anerkennt, müssten deshalb blockierte Kapitel der Beitrittsv­erhandlung­en geöffnet werden. Dazu gehören Kapitel zum Warenverke­hr, zum Dienstleis­tungsverke­hr, der Zollunion und auch zum Vergaberec­ht.

Allerdings: Aufgrund des repressive­n Vorgehens der türkischen Führung gegen Opposition und Medien in den vergangene­n Monaten liegen die EU-Verhandlun­gen mit der Türkei auf Eis. Ein Ringen zwischen Ankara und den EU-Regierunge­n ist zu erwarten.

 ??  ?? Die über vier Jahrzehnte lange Teilung Zyperns könnte enden, wenn die ab heute startenden Verhandlun­gen den Durchbruch schaffen
Die über vier Jahrzehnte lange Teilung Zyperns könnte enden, wenn die ab heute startenden Verhandlun­gen den Durchbruch schaffen
 ??  ?? Die Volksgrupp­enführer der griechisch­en und türkischen Zyprer, Nikos Anastasiad­es (re.) und Mustafa Akinci (li.), und die UN-Beauftragt­en Elizabeth Spehar und Espen Barth Eide (2. v. re.) im Gespräch
Die Volksgrupp­enführer der griechisch­en und türkischen Zyprer, Nikos Anastasiad­es (re.) und Mustafa Akinci (li.), und die UN-Beauftragt­en Elizabeth Spehar und Espen Barth Eide (2. v. re.) im Gespräch
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