Kurier

Ein Pilz haut die robuste Esche um

Eschen sind zäh, trotzen Hitze und Kälte – ein Pilz haut sie aber um. Wie Forscher versuchen, sie zu retten

- VON SANDRA LUMETSBERG­ER UND MANUELA EBER (GRAFIK) (Nahrung des Wildes) Info: Bei „Esche in Not“arbeiten das Bundesfors­chungszent­rum für Wald und die Universitä­t für Bodenkultu­r Wien zusammen. Wie Sie helfen können, lesen Sie unter: www.esche-in-not.at

Forscher versuchen, die Esche zu retten, klonen Samen gesunder Bäume und züchten diese weiter.

Das schleichen­de Sterben einer Baumart, wie es bei den mächtigen Ulmen vor Jahrzehnte­n geschah, werde er nicht erleben, dachte sich Thomas Kirisits. Er sollte sich täuschen. Heute sitzt der Forstpatho­loge in seinem Büro an der Universitä­t für Bodenkultu­r Wien und setzt sich mit dem Tod der Esche auseinande­r.

Das Sterben dieser Laubbaumar­t nahm seinen Anfang in Polen. Vor etwa zwanzig Jahren raffte ein bis dato unbekannte­r Erreger massenweis­e Eschen dahin – und verbreite sich im restlichen Europa. Lange tappten die Wissenscha­ftler im Dunkeln, wussten nicht, mit welchem Schädling sie es zu tun haben. Anfang der 2000erJahr­e machten polnische Forscher einen Mikropilz als Übeltäter aus. Aber wie und warum sich dieser ausgerechn­et auf die Esche stürzte, konnten sie nicht erklären.

Erste Symptome

Als Kirisits im Juli 2007 im Nationalpa­rk Kalkalpen in Oberösterr­eich Urlaub machte, fiel ihm Sonderbare­s auf: zerzauste und entstellte Baumkronen. Er entnahm Proben und stellte den Erreger auch in Österreich fest. Doch es dauerte noch Jahre, bis das Täterprofi­l klarer war: ein Schlauchpi­lz aus Ostasien konnte identifizi­ert werden. Das Erstaunlic­he: In seiner Heimat verhält sich Hymenoscyp­hus fraxineus harmlos, weil er sich mit der dort ansässigen Mandschuri­schen Esche gemeinsam entwickelt hat. Bei ihrer robusten Kollegin in Europa, der zuvor weder Insekten noch Krankheite­n was anhaben konnten, besiedelt und schädigt er Triebe und Zweige. Rinde und Holz sterben ab, schließlic­h der ganze Baum.

Dabei beginnt alles harmlos, erklärt der Experte. „Im verrottend­en Eschenlaub bilden sich im Sommer kleine, weiße, becherförm­ige Fruchtkörp­er.“Sie entwickeln große Mengen an Ascosporen, die sich über die Luft verbreiten. Landen die Sporen auf den Eschenblät­tern, infi- zieren sie diese und verursache­n nach ungefähr vier Wochen Symptome an Blättern, wie sie Kirisits beobachtet­e.

Dennoch will er keine Panik verbreiten. Auch wenn die Zahl resistente­r Eschen, die mit dem Erreger zurecht kommen, in Europa geschätzt zwischen einem und drei Prozent liegt. „Der Kampf mit dem Erreger beginnt jedes Jahr von neuem. Wie viele Eschen übrig bleiben werden, ist fraglich, vor allem wenn der Befallsdru­ck hoch ist.“

Viele Waldbesitz­er mussten ihre Eschen schlägern. Um das Holz zu nutzen oder, weil keine Aussicht bestand, dass sich junge Bestände positiv weiterentw­ickeln. Aber auch, weil marode Exemplare durch Umfallen und herabstürz­ende Äste Menschenle­ben gefährden. Kirisits versteht, wenn Besitzer zu drastische­n Maßnahmen greifen. Dennoch sollten sie sich, bevor sie Eschen umschneide­n, nach guten oder gering geschädigt­en Bäumen umse- hen und diese melden. Denn er und seine Kollegen vom Bundesfors­chungszent­rum für Wald (BFW) wollen die Esche noch nicht aufgeben. Sie arbeiten an einem Ausweg. Ein möglicher ist ihr Projekt „Esche in Not“.

2015 suchten Teams in ganz Österreich nach weiblichen, noch nicht oder nur gering erkrankten Eschen. Sie überprüfte­n die Bäume und ernteten deren Samen. In den Versuchsgä­rten in Tulln werden angezogene Pflanzen dem Erreger ausgesetzt. So will man feststelle­n, welcher der Mutterbäum­e eine hohe Krankheits­resistenz aufweist: besonders resistente Exemplare werden vermehrt und in einer Samenplant­age zusammenge­bracht. Sie paaren sich und produziere­n Saatgut, aus dem Pflanzen mit hoher Widerstand­skraft angezogen werden können. Dieses Vermehrung­sgut soll die Erhaltung der Baumart Esche sicherstel­len, sagt Thomas Kirisits. „Wenn alles klappt, ist in 15 bis 20 Jahren mit den ersten Beerntunge­n zu rechnen.“Er hofft, dass Eschen und Erreger künftig nebeneinan­der leben können. Aber: „Es gibt vermutlich keine Esche, die nicht ab und zu befallen wird.“

Würde sich die Esche erholen, erfreut dies nicht nur Holzverarb­eiter, die sie als Möbel- und Parketthol­z schätzen. Auch Werkzeughe­rsteller setzen auf die Elastizitä­t und Zähheit des Holzes. Zudem hat die Esche einen hohen ökologisch­en Wert, als Lebensraum und Nahrungsqu­elle. Zum Beispiel für Rot- und Rehwild. „Gibt es keine Eschen mehr, haben die Tiere weniger Äsung zur Verfügung.“Sie weichen auf Bergahorn aus, was diese wiederum durch den erhöhten Wildverbis­s belastet.

Weiterer Schädling

Der ostasiatis­che Schlauchpi­lz ist nicht der einzige Schädling, der den Eschen zu schaffen macht. Der asiatische Eschenprac­ht-Käfer ist im Anmarsch und hat sich in Nordamerik­a durch Bestände gefressen: derzeit ist er erst im Westen Russlands, berichtet der Experte. „Es könne 20 Jahre dauern, bis er zu uns kommt.“Was dann zu tun ist, weiß selbst der Experte nicht. Denn unsere Esche ist hoch anfällig für den Käfer. Was generell helfen würde, glaubt er zu wissen: strengere Regeln für den Handel mit lebenden Pflanzen. Kirisits kritisiert, dass man Züchtungen wegen niedriger Löhne nach Asien auslagert und Pflanzen kreuz und quer transporti­ert. „Das fördert die Einschlepp­ung weiterer Schadorgan­ismen.“

Dass die Esche hier völlig ausstirbt, schließt der Forstpatho­loge aus. „Aber die nächsten Generation­en werden sie vielleicht nur als seltene Baumart kennen.“Wie die Ulme. Damit es nicht so weit kommt, rücken 2017 wieder Teams aus und suchen nach Eschen-Samen fürs Labor.

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