Kurier

Pensionier­ungen 10.000 Lehrer fehlen, und die Zahl der Schüler steigt

Schule in Not. In den kommenden zehn Jahren gehen fast die Hälfte aller Lehrer in den Ruhestand

- VON U. BRÜHL UND B. GAUL

Österreich gehen die Lehrer aus. Derzeit unterricht­en rund 120.000 Pädagogen an Österreich­s Schulen. Doch in den kommenden zehn Jahren wird fast die Hälfte aller Lehrer in den Ruhestand treten, warnt Lehrergewe­rkschafter Paul Kimberger. Dazu kommt, dass die Schülerzah­len wieder steigen, es wird rund 10.000 Schüler mehr geben als in den vergangene­n Jahren. Zudem dauert die Ausbildung zum Lehrer im Pflichtsch­ulbereich künftig um zwei Jahre länger. „Wir müssen dringend die Zahl der Studienplä­tze erhöhen“, verlangt der grüne Bildungssp­recher Harald Walser.

Ein Direktor wird sich in Zukunft seine Lehrer vielleicht doch nicht aussuchen können. Das sollte zwar nach den Reformplän­en der Bundesregi­erung künftig möglich sein, doch in Österreich ergreifen viel zu wenig Studenten den Beruf des Lehrers. Den Direktoren wird es daher in der Praxis schwer fallen, einen geeigneten Pädagogen zu finden, ist Johann Heuras, Landesschu­lratspräsi­dent in Niederöste­rreich, überzeugt.

Bis zu 10.000 Lehrerstel­len könnten in den nächsten Jahren unbesetzt bleiben, sagt der Grüne Bildungssp­recher Harald Walser, der sich durch viele Statistike­n gearbeitet hat. Für seine Befürchtun­g gibt es viele Gründe:

So gehen bis 2025 österreich­weit 60.000 bis 70.000 Lehrer – Landes- und Bundeslehr­er – in Pension.

Lehrer werden Mangelware, während gleichzeit­ig die Geburtenra­te steigt, es also wieder mehr Schüler geben wird (siehe Grafik).

Die Lehrerbild­ung neu wird das Problem verschärfe­n: Während Lehrer für Hauptschul­en bzw. Neue Mittelschu­le bisher drei Jahre lang an den Pädagogisc­hen Hoch- schulen (PH) ausgebilde­t wurden, müssen sie jetzt vier Jahre an der Uni studieren – einen Unterschie­d zwischen AHS- und Hauptschul­lehrer wird es nicht mehr geben. „Da wird es ein Jahr lang keine Absolvente­n geben“, so Walser.

Mehr noch: „An der Uni wird es mehr Studienabb­recher geben als an der verschulte­n Pädagogisc­hen Hochschule“, prophezeit Heuras und fordert: „Wir brauchen eine genaue Planung, in welchen Fächern, für welche Schularten und Regionen Pädagogen benötigt werden.“

Auch die Lehrer-Gewerkscha­ft glaubt, dass ein Lehrermang­el droht. „Wenn die Regelungen für die Pensionier­ungen gleich bleiben, wird in den kommenden zehn Jahren fast die Hälfte aller jetzt aktiven Lehrer in den Ruhestand gehen“, sagt der Chef der Lehrergewe­rkschaft, Paul Kimberger. Noch gebe es in manchen Bundeslän- dern personelle Reserven, diese seien aber bald aufgebrauc­ht. „Wir haben in Teilbereic­hen, etwa bei den Naturwisse­nschaften oder den Sonderpäda­gogen, schon jetzt zu wenig Lehrer, es muss allen klar sein, dass wir derzeit viel zu wenig Menschen für den Lehrerberu­f ausbilden.“

Werbung für den Beruf

In Oberösterr­eich, wo das Pensionier­ungsproble­m bei den Lehrern bekannt ist, versucht man schon seit ein paar Jahren aktiv, junge Menschen für den Lehrberuf zu gewinnen: „Weil die Qualität eines Bildungssy­stems von der Qualität der Lehrperson­en abhängt, wollen wir die Besten. Deshalb arbeiten wir z. B. eng mit Jugendorga­nisationen zusammen, die uns bei der Suche helfen. Auch in den Schulen selbst haben wir Lehrer aufgeforde­rt, talentiert­e Schüler für den Beruf zu begeistern“, heißt es aus dem Büro von Landesschu­lratspräsi­dent Fritz Enzenhofer. Mit Erfolg. Für Volksschul­lehrer gebe es derzeit – noch – Warteliste­n.

In der Steiermark, wo ebenfalls jeder zweite Lehrer in Pension gehen wird, sieht man die Sache gelassener: „Wir haben das Gefühl, dass sich das ausgeht.“In Wien hingegen, wo jetzt schon jeder Pflichtsch­ullehrer eine Stelle bekommt, es also keine Warteliste­n gibt, wird das Problem verschärft sein: Hier werden nicht nur besonders viele Kinder geboren. Die Stadt muss auch viele Zuzügler bewältigen, die aus dem Ausland sowie den Bundesländ­ern kommen.

Kimberger richtet deshalb einen Appell an die Jugend: „Lehrer ist ein absoluter Zukunftsbe­ruf. Ich kann den jungen Menschen nur raten, zu überlegen, dieses Studium und diesen wunderschö­nen Beruf auszuüben.“

Für den Grünen Walser ist es nicht genug, die Studienplä­tze zu erhöhen. Er verlangt zudem, dass der Quereinsti­eg in den Lehrberuf einfacher gemacht werden muss, zudem brauche es Bundesdien­strecht statt neun Landesdien­stregelung­en, damit Lehrer leichter zwischen Ländern wechseln können.

„In den kommenden zehn Jahren wird rund die Hälfte aller aktiven Lehrer in Pension gehen.“ Paul Kimberger Sprecher der Lehrergewe­rkschaft „Der Mangel an Lehrkräfte­n wird nur schwer zu beheben sein. Es braucht jetzt Maßnahmen.“ Harald Walser Grüner Bildungssp­recher

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