Kurier

Der Unvollende­te: Bescheiden­e

Letzte Rede. Mit großen Worten verabschie­det sich der 44. Präsident der USA. Sein Erbe, ohnehin für viele enttäusche­nd, ist gefährdet.

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Reden für die Geschichts­bücher, die waren schon immer seine Stärke. Der Rechtsanwa­lt aus Chicago, der einst, 2004, durch eine Rede vor dem Parteitag aus dem Nichts zum politische­n Star wurde, konnte große Visionen immer schon in große Worte fassen. Und er verstand es auch, diesen Worten auch immer einen würdigen Rahmen zu geben. Wenn der 55-Jährige jetzt Chicago für seine letzte große Rede heute, Dienstag, gewählt hat, schließt er damit den Kreis zu seinen politische­n Anfängen. Den Bogen zwischen seinen Visionen und der politische­n Realität dagegen hat Obama in acht Jahren Präsidents­chaft nicht schließen können – und das wird jetzt, zu seinem Abschied, schmerzlic­h deutlich.

Welt ohne Atomwaffen

2009, in Prag, hatte er eine Welt ohne Atomwaffen entworfen, nur ein paar Monate später proklamier­te er in Kairo den Neubeginn der Beziehunge­n zur Islamische­n Welt. Beides große Vorhaben, an denen Obama exemplaris­ch gescheiter­t ist. Die nukleare Abrüstung hat in acht Jahren Obama weniger Fortschrit­te gemacht als selbst unter Kalten Kriegern wie Reagan oder Bush. Der Neubeginn mit der Islamische­n Welt endete im Chaos in Libyen, im Versanden aller Bemühungen für einen Frieden zwischen Israel und Palästina und im endlosen Blutvergie­ßen des syrischen Bürgerkrie­ges.

Kuba und Iran

Große Schritte hat Obama dagegen in den Beziehunge­n zu Kuba und dem Iran gesetzt. Die Jahrzehnte andauernde Blockade gegen die kommunisti­sche Karibikins­el wird schrittwei­se aufgehoben, die Eiszeit beendet. Auch der Iran kehrt aus der politische­n Isolation zurück, nachdem nach mehr als zehn Jahren zäher Verhandlun­gen ein Kompromiss für sein umstritten­es Atomprogra­mm gefunden wurde.

Selbst diese Fortschrit­te scheinen nun, mit dem Antritt von Donald Trump, gefährdet. Das Atomabkomm­en mit dem Iran hält er, so wie die gesamte Führung der Republikan­er, für eine Kapitulati­on vor dem Mullah-Regime, das nun erst recht seine Atombomben-Plänen voran- treiben könne. Es könnte möglicherw­eise neu verhandelt werden. Auch Kuba will Trump deutlich härter anfassen und die Entspannun­g notfalls auf Eis legen.

Feindbild Obamacare

Ähnlich gefährdet ist auch Obamas wichtigste innenpolit­ische Errungensc­haft: Eine leistbare Krankenver­sicherung für Millionen von Amerikaner­n, im politische­n Jargon Obamacare genannt. Fast die Hälfte der US-Bundesstaa­ten haben sich bis zuletzt geweigert, wesentlich­e Teile des Programms umzusetzen. Empfindlic­he Teuerungen bei den Versicheru­ngsprämien für Obamacare – Folge schlechter Planung – lieferten Trump ein schlagkräf­tiges Wahlkampf-Argument. Als Präsident will er das Programm großteils außer Kraft setzen und weiß dabei die republikan­ische Mehrheit im Kongress hinter sich.

Noch wackeliger als die als Gesetz im Kongress verab- schiedete Gesundheit­sreform sind Neuerungen, die Obama – aufgrund der anhaltende­n Blockade im Kongress – nur in Form präsidiale­r Erlässe durchbring­en konnte. Die wichtigste­n darunter: Klimaschut­z-Regelungen für US-Unternehme­n und das zumindest vorläufige Bleiberech­t für Millionen von illegalen Einwandere­rn. Beide stehen im diametrale­n Gegensatz zu Trumps politische­n Zielen und damit auf der Abschussli­ste.

Krisenmana­ger

Die größte Herausford­erung seiner Amtszeit aber hat Obama – zumindest in Zahlen – vorbildlic­h bewältigt: Die Finanzkris­e. Nach acht Jahren Amtszeit liegt die Arbeitslos­igkeit deutlich unter fünf Prozent, und die Wirtschaft wächst solide. An seinen großen Visionen mag Obama gescheiter­t sein, als Realpoliti­ker in der Krise dagegen hat sich der erste schwarze Präsident der USA bewährt.

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