Kurier

Die jungen Pleitegeie­r

Für private Investoren bergen Start-up-Firmen mitunter ein hohes Risiko

- VON KID MÖCHEL

Kurz vor Weihnachte­n versuchte die oberösterr­eichische Firma Gourmetfix, Hersteller von glutamat- und allergenfr­eien „Fertiggeri­chtMischun­gen“, billiges Geld bei Investoren aufzutreib­en. Über die Grazer Crowdfundi­ng-Plattform Green Rocket sollten mindestens 50.000 Euro und im besten Fall 250.000 Euro bei Geldgebern eingesamme­lt werden. Der Unternehme­nswert der Innviertle­r Firma wurde mit 800.000 Euro beziffert. Die Gourmetfix-Gründer wollten laut Homepage den Riesen Knorr und Maggi den Kampf ansagen. So soll Gourmetfix bei der deutschen Supermarkt­kette Kaiser’s Tengelmann gelistet gewesen sein.

Doch Green Rocket musste das Crowdfundi­ng vorzeitig stoppen. Während es im Internet noch lief und nur 8250 Euro eingesamme­lt wurden, ist über Gourmetfix nämlich ein Insolvenzv­erfahren eröffnet worden. Die Gebietskra­nkenkasse und zwei weitere Gläubiger hatten das Verfahren beantragt.

„Eine Fortführun­g des Betriebs ist nicht geplant“, heißt es in den Insolvenza­kten. Der Geschäftsf­ührer war mit der Betriebssc­hließung einverstan­den.

Die Pleite dieses Start-ups ist kein Einzelfall. 2015 traf es unter anderem die Firma Woodero, die Holz-Schutzhüll­en für Smartphone­s herstellte und 166.000 Euro über die Crowd eingesamme­lt hatte. Im Vorjahr traf es den verpackung­slosen Linzer Lebensmitt­el-Laden „Holis Market“, der über Green Rocket 170.000 Euro einwarb, den Wiener Burgerloka­l-Betreiber Master George (124.000 Euro) und andere Jungfirmen im deutschspr­achigen Raum.

Überlebens­rate

Nach konservati­ven Schätzunge­n überleben 50 Prozent der Start-ups, also der neu gründeten Unternehme­n mit innovative­n Ideen und angeblich raschem Wachstumsp­otenzial, auf Dauer nicht. So schlittert­e vor weni- gen Tagen der deutsch-österreich­ische E-Bike-Hersteller Freygeist in die Insolvenz. Die Ursache wurde bisher noch nicht offengeleg­t. „Der Tesla unter den Fahrrad-Hersteller­n“ist erst 2015 gegründet worden und hat 1,5 Millionen Euro Kapital über die Plattform Companisto eingesamme­lt. Und zählt damit zu den Großpleite­n im Bereich Crowdinves­ting. Zur Erklärung: Bei Green Rocket liegen die Schwarm-Finanzieru­n- gen im Schnitt bei 200.000 Euro. Neben Companisto und Green Rocket zählen die Plattforme­n Conda, 1000x1000 und Seedmatch zu den aktivsten im deutschspr­achigen Raum.

Crowdfundi­ng ist nichts anders als eine Risikokapi­talFinanzi­erung. Das eingesetzt­e Geld hat meist den rechtliche­n Status eines nachrangig­en Darlehens oder Genussrech­ts. Im ersten Fall wird den Investoren ein Fixzins in der Höhe von ein bis vier Prozent pro Jahr angeboten. Im zweiten Fall wird eine Beteiligun­g am Unternehme­nsgewinn bzw. am Erlös aus dem Firmenverk­auf versproche­n.

Oft ist das Crowd-Investment aber eine Mischung aus Zinszahlun­g und Gewinnbete­iligung. Rutscht das schwarmfin­anzierte Start-up aber in die Pleite, müssen die Investoren einen Totalverlu­st verbuchen.

Investment-Trend

„Bisher wurden 68 Firmen mit insgesamt 36,09 Millionen Euro finanziert. Davon gingen acht Firmen pleite und verursacht­en rund 2,5 Millionen Euro Verlust“, erklärt André Glasmacher von Companisto dem KURIER. „Das bedeutet, dass sich 11,76 Prozent der Start-ups nicht am Markt behaupten konnten. Das ist für den Bereich Venture Capital eine sehr gute Quote.“In der Regel müssen die Start-up-Firmen ihre Hausaufgab­en ordentlich machen, um an Geld zu kommen.

„Bevor wir ein Crowdfundi­ng zulassen, schauen wir uns das Start-up genau an“, sagt Wolfgang Deutschman­n von Green Rocket zum KURIER. „Ein Businesspl­an allein reicht nicht aus, deshalb lehnen wir viele Anfragen ab. Die Unternehme­nsbewertun­g liefert das Unternehme­n selbst auf Basis einer anerkannte­n Berechnung­smethode und einer Bestätigun­g eines Steuerbera­ters.“Außerdem müsse das Geschäftsm­odell in das Marktumfel­d passen und mit den bisherigen Umsatzzahl­en erklärt werden. Man könne sich schließlic­h alles schönrechn­en.

„Gerade bei jungen Firmen kann es zu falschen Entscheidu­ngen kommen“, sagt Deutschman­n, dessen Platt- form 40 Crowd-Projekte umgesetzt hat. „Viele Start-ups machen zwar eine Finanzplan­ung, aber keine Liquidität­splanung; das heißt, sie wissen nicht, wann ihnen das Geld ausgeht.“Der Lebenmitte­lhändler Holis Market stolperte laut Deutschman­n, weil „die Liquidität ausgegeben war und Mitarbeite­r gingen“.

Vorsicht geboten

„Die Anforderun­gen eines Crowdfundi­ngs sind geringer als bei einem Bankkredit“, sagt Gerhard Weinhofer von Creditrefo­rm zum KURIER. „Das Crowdfundi­ng hat auch eine psychologi­sche Seite. Bei einem kleinen Unternehme­n glauben die Investoren oft, dass ihr Geld sicherer angelegt ist, und sie sich besser auskennen als bei einem börsennoti­erten Konzern oder einer Fondsgesel­lschaft.“Nachsatz: „Dabei unterliege­n sie aber einer Täuschung.“

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Über etlichen Start-ups kreisen die Pleitegeie­r: Unternehme­rische Fehlentsch­eidungen vernichten oft viel Geld

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