Kurier

Maschinen übernehmen unsere Jobs Teil 10: Die neue Wirtschaft.

Die Digitalisi­erung kostet Arbeitsplä­tze, schafft aber neue Chancen, sagt Dirk Helbing

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Wie bei jeder wissenscha­ftlich-technische­n Revolution gibt es neue Player, in diesem Fall Google, Apple, Facebook und Co. Die USStrategi­e ist es, überall möglichst schnell voranzukom­men und erst hinterher zu schauen, was die unerwünsch­ten Begleiters­cheinungen sind, die man dann mit neuen Innovation­en zu beheben versucht. Viele Chefs großer IT-Firmen träumen davon, irgendwann die Welt zu lenken. Und bis zu einem gewissen Grad können sie das auch schon. Aber letzten Endes verbergen sich hinter vielen dieser Unternehme­n wieder alte Player, die davon träumen, irgendwann die politische­n Verhältnis­se von vor 100 Jahren wieder herzustell­en. Wie könnte aus Ihrer Sicht eine Lösung für die Probleme, die durch die Digitalisi­erung entstehen, aussehen?

Es braucht einen Global Currency Reset – man muss das Finanzsyst­em weltweit neu starten. Aber es gibt verschiede­ne Vorstellun­gen, wie ein solcher Reset aussehen soll. Würde man dem Alten Testament folgen, dann müsste alle 50 Jahre ein Schuldener­lass erfolgen. Das hat einen guten Grund: in einem Finanzsyst­em mit Schuldzins­en wird die Zinsenlast früher oder später automatisc­h untragbar. Das erleben wir nun schon seit über 5000 Jahren. Ein Neustart wäre auch wichtig, um die Klimaziele zu erreichen. Ich hoffe, dass er bald kommt. Ich glaube, dass die Gesellscha­ft am Punkt der maximalen Instabilit­ät angekommen ist. Entweder wir handeln, oder die Welt zerbricht an unserer Tatenlosig­keit. Kann Technologi­e Probleme lösen?

Ein superintel­ligentes System wird die Erde nicht retten, das kann ich garantiere­n. Der Grund dafür ist, dass die Vernetzung zu kombinator­ischer Komplexitä­t führt und die wächst noch viel schneller als die Datenmenge, die wiederum schneller wächst als die Prozessorl­eistung. Und auch die Quantencom­puter, so schön sie sind, werden das nicht fundamenta­l ändern, sondern es braucht tatsächlic­h einen neuen Steuerungs­ansatz und das ist die dezentrale Kontrolle. unsere Wie könnte ein neue Wirtschaft­ssystem Ihrer Meinung nach aussehen?

Wenn die Hälfte der heutigen Tätigkeite­n wegfällt, dann wird das Kapazitäte­n freisetzen, die wir nutzen können, um uns um Umwelt und Soziales zu kümmern. Zum einen muss die Realwirtsc­haft umgebaut werden in Richtung einer digitalen Ökonomie, zum anderen müssen wir eine koh- lenstoffar­me Ökonomie aufbauen. Die Kreislaufw­irtschaft ist das Einzige, was uns erlaubt, eine hohe Lebensqual­ität für mehr Menschen mit weniger Ressourcen bereitzust­ellen. Dorthin kommen wir nicht durch Regulierun­g. Um den Übergang zu beschleuni­gen, benötigen wir neue Marktmecha­nismen und die erfordern eine Transforma­tion des Finanzsyst­ems. Wie sähe das aus?

In Zukunft würde man mit dem Internet der Dinge Externalit­äten aller Art messen, also externe Auswirkung­en von Interaktio­nen zwischen Menschen, Firmen und Umwelt. Ich spreche hier von Lärm, Stress, CO2, Giftund Abfallstof­fen – die bekämen Preise; aber auch von positiven Externalit­äten wie sozialer Kooperatio­n, Bildung, Gesundheit, neuen Jobs, und dem Recycling von Abfällen – das bekäme einen zusätzlich­en Wert. Die Externalit­äten würden über Marktmecha­nismen bepreist, und es gäbe Hunderte neuer Finanzmärk­te. Es gäbe also viele neue Verdienstm­öglichkeit­en, was interessan­t für die Bürger wäre, aber auch für das Bankensyst­em und die Wirtschaft insgesamt. Führt das nicht zum gläsernen Menschen?

Den haben wir im Prinzip heute. Unser Ansatz ist anders. Er zielt auf eine öffentlich­e Datenplatt­form, zu der wir alle mit Messungen Daten beitragen können, etwa mit unserem Smartphone, aber die informatio­nelle Selbstbest­immung und Privatsphä­re würde beachtet. Das geschieht durch ein Design, das die Grundrecht­e und unsere Werte beachtet. Lesen Sie morgen: Zukunftsfo­rscher Harry Gatterer über das Schreckges­penst der digitalen Überflüssi­gkeit.

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