Kurs auf absolute Macht
Präsidialrepublik. Nach Ja im Parlament stimmen die Türken über Erdoğans Traum ab
Es dauerte insgesamt 129 Sitzungsstunden mit teils aggressiven Debatten und Prügeleien und zuletzt kettete sich noch eine Vertreterin der Opposition and Rednerpult im Parlament in Ankara. All das konnte Erdoğans politischen Masterplan, nicht auf halten. Die vom Staatschef angestrebte Verfassungsreform für ein Präsidialsystem in der Türkei ist vom Parlament verabschiedet worden. Die notwendige Dreifünftelmehrheit von mindestens 330 Stimmen wurde auch mithilfe von Abgeordneten aus der ultranationalistischen Oppositionspartei MHP erzielt. Nun wird das Volk in einem Referendum über die Änderungen abstimmen, voraussichtlich bereits im kommenden Frühjahr.
Die Umsetzung der Verfassungsreform soll schrittweise erfolgen und bis Ende 2019 vollständig abgeschlossen sein. Das Präsidialsystem würde Erdoğan deutlich mehr Macht verleihen und das Parlament schwächen. Der Präsident würde zugleich als Staatsund Regierungschef amtieren und könnte weitgehend per Dekret regieren. Sein Einfluss auf die Justiz würde weiter zunehmen.
Die Amtszeiten des Präsidenten wären zwar weiterhin auf zwei begrenzt, die Zählung würde unter dem neuen Präsidialsystem aber mit der für November 2019 geplanten Wahl neu beginnen. Theoretisch könnte Erdoğan durch eine Hintertür in der Verfassung bis 2034 im Amt bleiben.
Opposition warnt vor Diktatur
Erdoğan verspricht einen „Neuauf bau“, der der Türkei „Sicherheit und Wohlstand“bringen soll. Kemal Kılıçdaroğlu, Chef der größten Opppositionspartei CHP, dagegen kritisierte, das Parlament habe „Verrat“an seiner Geschichte begangen und die „eigenen Machtbefugnisse“abgetreten: „Wir sind gegen diesen Systemwechsel. Es ist eine „Katastrophe“, wenn eine Person die gesamte Macht erhält.“Zugleich zeigte sich der Oppositionsführer zuversichtlich, dass die Reform bei dem Referendum scheitern werde. Neben der Mittelinks-Partei CHP ist die pro-kurdische Oppositionspartei HDP strikt gegen das Präsidialsystem, weil sie eine EinMann-Herrschaft befürchten.