Kurier

Politiker sind eben auch nur Menschen

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Eine Erkenntnis, die in unserem obrigkeits­hörigen Staat Ober- und Untertanen erst verstehen müssen.

„Sie gehören auch zu jenen Menschen, die meine Wichtigkei­t überschätz­en“, sagt Erwin Pröll im Gespräch mit meiner Kollegin Ida Metzger. Und dann lacht er. Also was? Wurde er überschätz­t? Hat er sich überschätz­t? Oder ist es so, dass die Österreich­er nach 70 Jahren Demokratie noch immer kein normales Verhältnis zu ihren Politikern entwickelt haben. Der Landeshaup­tmann erschien vielen als übermächti­g. Um ihn zu bekämpfen, wurde sogar eine Sudelkampa­gne im Internet organisier­t. Auch die Kollegen vom stets Pröll-kritischen Falter, die ebenso wie viele andere Journalist­en die kolportier­ten Vorwürfe recherchie­rten, fanden keine Anhaltspun­kte dafür, dass da etwas dran war. Außer eben der Austriazis­mus, dass man gegen Mächtige hinterrück­s agiert. Dabei hat Pröll Widerspruc­h, auch laut vorgetrage­n, akzeptiert. Jedenfalls nach einer gewissen Kontaktspe­rre, die ein paar Monate dauern konnte, wie man auch hierorts erfahren durfte. Auch Arbeitsbez­iehungen machen nur auf Augenhöhe Sinn.

Obrigkeits­denken, verbunden mit Tritten gegen das Schienbein oder Überfällen von hinten, ist ein Erbe des Habsburger­staates, wo es Revolution­en gar nicht, erfolglos oder mit geballter Faust gab. Im Osten fand die Bauernbefr­eiung durch Hans Kudlich 1848 eine gesetzlich­e Grundlage, die Umsetzung dauerte. Im Westen gab es wenigstens den aufmüpfige­n Andreas Hofer als Vorbild. Der kleine, durch den Bürgerkrie­g geschwächt­e Staat der 1. Republik ging im Nationalso­zialismus unter, wo die Wiener Blockwarte in ihrer Unterwürfi­gkeit besonders „effizient“waren. Und nach dem 2. Weltkrieg legten sich zwei Parteien über den Staat, die nicht mehr aufeinande­r schießen und den sozialen Frieden durch Packeln und Posten verteilen sichern wollten.

Mut kann sich auch auszahlen

Die Zeit der Großpartei­en ist vorbei, was Organisati­on und Ideologie betrifft. SPÖ und ÖVP kennen den Beamtensta­at mit Landwirtsc­haft und Industrie, mit Ideen von gestern suchen sie Antworten für morgen. Die Historiker­in Anne Applebaum sagt im Spiegel: „Der alte Kampf zwischen Christdemo­kraten und Sozialdemo­kraten ist bedeutungs­los geworden, weil Einflüsse von Kirche und Gewerkscha­ften verblassen. Nationalis­ten und Populisten haben das früher begriffen.“In Österreich geht’s langsamer. Manche leben noch immer nach dem Motto: „Die Partei hat immer recht“. Aber es ist kein Zufall, dass Kanzler Kern ein neues Wahlrecht will, weil Mehrheiten Geschichte sind. Noch wichtiger wäre ein Persönlich­keitswahlr­echt, um Unabhängig­e ins Parlament zu kriegen. Sebastian Kurz glaubt nicht mehr ans Parteiensy­stem und träumt von einer Bürgerbewe­gung.

Mut kann sich manchmal auszahlen: Der neue Wiener Stadtschul­ratspräsid­ent Himmer wurde als HäuplKriti­ker bekannt. Als der Bürgermeis­ter über die geringe Arbeitszei­t der Lehrer lästerte, konterte Himmer: „Medialer Rülpser“. Dass Himmer sich als Gewerkscha­fter sicher fühlte, wird dabei auch nicht geschadet haben.

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