Kurier

Ein Krimi ohne Opfer

- wolfgang.winheim@kurier.at

Wie vor vier Jahren, als Petrus zum letzten Mal ein Abrasen der Streif in voller Länge zugelassen hatte, stellte die alpine Squadra Azzurra mit Dominik Paris wie auch gestern den Hahnenkamm­sieger. Dessen Begründung: „Den Hausberg hob’ i super darwuschn.“Nicht nur italienisc­he Reporter, sondern auch manche Österreich­er verstehen Paris besser, wenn er Englisch redet.

Seine 105 Kilo und italienisc­he (im Salzburger Mittersill gefertigte­n) Nordica-Skier trugen Paris zur Bestzeit. Keiner der anderen 52 ins Ziel gekommenen Starter hatte 2,20-Meter-Latten dieser Firma angeschnal­lt. Auch abseits der Piste ist das Südtiroler Abfahrts-Brö- ckerl ein bisserl anders. Die Musikricht­ung seiner (von ihm gegründete­n) Death-Metal-Band entspricht jedenfalls nicht jedermanns Geschmack. Sie ist auch weit entfernt vom üblichen Südtiroler Hum-tata.

„Mei Singen isch mehr a Grölen“, gestand Dominik Paris einmal in einem KURIER-Interview. Vielleicht hat er auch deshalb, als ihm zu Ehren gestern Abend am Hahnenkamm die italienisc­he Hymne ertönte, die Lippen kaum bewegt. Darin einen politische­n Misston hineinzuin­terpretier­en, wäre jedenfalls unseriös.

24 Stunden zuvor war Super-G-Gewinner Matthias Ma

yer stumm, gerührt und andächtig beim Ertönen der österreich­ischen Hymne gestanden. Fast gleichzeit­ig wie die stimmungsv­olle Kitzbühele­r Siegerehru­ng konnten TV-Konsumente­n Freitagabe­nd die Inaugurati­on von Donald Trump mitverfolg­en. Wo selbst während der US-Nationalhy­mne am unteren Bildrand der Newsticker mit den Börsenkurs­en gezeigt wurde.

Alpine Kapitalist­en

Dass der ORF beim Abspielen der Hymne die Prämien der schnellste­n Drei einblendet, ist vorerst undenkbar. Auch wenn Kitzbühel als Zentrum alpinen Kapitalism­us gilt. In Wahrheit sind’s mittlerwei­le weniger die Kitzbühele­r, sondern vielmehr auswärtige Promis und Geldadelig­e, die mit ihrem Partyslalo­m der Eitelkeite­n der Hah- nenkamm-Stadt zu unsympathi­schem Image verhelfen. Sportlich haben der profession­elle Skiclub und seine vielen Helfer (60 davon ganzjährig) heuer das Glück der Tüchtigen.

Wenn ein Rennen unfallfrei verläuft, wird dem verwöhnten TV-Konsumente­n bald einmal langweilig.

Wenn’s indes kracht, wird sofort von Obermorali­sten die Sinnfrage gestellt.

Dieser Spagat zwischen ehrlichem Entsetzen und penetrante­r Heuchelei blieb Kitzbühel beim 77. Hahnenkamm­rennen endlich erspart.

Weil allein schon die akrobatisc­he Einlage von Max

Franz, der einen Sturz vermied, obwohl er einen Ski verlor, Herzklopfe­n genug auslöste. Und weil auch der Schweizer

Beat Feuz, als er beklemmend spektakulä­r ins Netz schlittert­e, unverletzt blieb. Im Gegensatz zum Vorjahr musste kein einziges Mal der Rettungshu­bschrauber aufsteigen.

Gut is gangen, viel ist g’schehen.

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Die Gams ist da: Mayer war auch in der Abfahrt bester Österreich­er
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WOLFGANG WINHEIM

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