Ein Krimi ohne Opfer
Wie vor vier Jahren, als Petrus zum letzten Mal ein Abrasen der Streif in voller Länge zugelassen hatte, stellte die alpine Squadra Azzurra mit Dominik Paris wie auch gestern den Hahnenkammsieger. Dessen Begründung: „Den Hausberg hob’ i super darwuschn.“Nicht nur italienische Reporter, sondern auch manche Österreicher verstehen Paris besser, wenn er Englisch redet.
Seine 105 Kilo und italienische (im Salzburger Mittersill gefertigten) Nordica-Skier trugen Paris zur Bestzeit. Keiner der anderen 52 ins Ziel gekommenen Starter hatte 2,20-Meter-Latten dieser Firma angeschnallt. Auch abseits der Piste ist das Südtiroler Abfahrts-Brö- ckerl ein bisserl anders. Die Musikrichtung seiner (von ihm gegründeten) Death-Metal-Band entspricht jedenfalls nicht jedermanns Geschmack. Sie ist auch weit entfernt vom üblichen Südtiroler Hum-tata.
„Mei Singen isch mehr a Grölen“, gestand Dominik Paris einmal in einem KURIER-Interview. Vielleicht hat er auch deshalb, als ihm zu Ehren gestern Abend am Hahnenkamm die italienische Hymne ertönte, die Lippen kaum bewegt. Darin einen politischen Misston hineinzuinterpretieren, wäre jedenfalls unseriös.
24 Stunden zuvor war Super-G-Gewinner Matthias Ma
yer stumm, gerührt und andächtig beim Ertönen der österreichischen Hymne gestanden. Fast gleichzeitig wie die stimmungsvolle Kitzbüheler Siegerehrung konnten TV-Konsumenten Freitagabend die Inauguration von Donald Trump mitverfolgen. Wo selbst während der US-Nationalhymne am unteren Bildrand der Newsticker mit den Börsenkursen gezeigt wurde.
Alpine Kapitalisten
Dass der ORF beim Abspielen der Hymne die Prämien der schnellsten Drei einblendet, ist vorerst undenkbar. Auch wenn Kitzbühel als Zentrum alpinen Kapitalismus gilt. In Wahrheit sind’s mittlerweile weniger die Kitzbüheler, sondern vielmehr auswärtige Promis und Geldadelige, die mit ihrem Partyslalom der Eitelkeiten der Hah- nenkamm-Stadt zu unsympathischem Image verhelfen. Sportlich haben der professionelle Skiclub und seine vielen Helfer (60 davon ganzjährig) heuer das Glück der Tüchtigen.
Wenn ein Rennen unfallfrei verläuft, wird dem verwöhnten TV-Konsumenten bald einmal langweilig.
Wenn’s indes kracht, wird sofort von Obermoralisten die Sinnfrage gestellt.
Dieser Spagat zwischen ehrlichem Entsetzen und penetranter Heuchelei blieb Kitzbühel beim 77. Hahnenkammrennen endlich erspart.
Weil allein schon die akrobatische Einlage von Max
Franz, der einen Sturz vermied, obwohl er einen Ski verlor, Herzklopfen genug auslöste. Und weil auch der Schweizer
Beat Feuz, als er beklemmend spektakulär ins Netz schlitterte, unverletzt blieb. Im Gegensatz zum Vorjahr musste kein einziges Mal der Rettungshubschrauber aufsteigen.
Gut is gangen, viel ist g’schehen.