Kurier

Führende Rolle Schallers

Jakob Auer über die Veränderun­gen im österreich­weiten Raiffeisen-Sektor.

- VON (lacht) JOSEF ERTL

Jakob Auer ist seit 1983 Abgeordnet­er zum Nationalra­t, seit 2000 Vorsitzend­er des Aufsichtsr­ates der Raiffeisen-Landesbank OÖ und seit 2011 Bundesobma­nn des Bauernbund­es. Der 68-Jährige war zudem 32 Jahre lang Bürgermeis­ter in Fischlham (Bez. Wels-Land). Seine Frau und einer seiner beiden Söhne führen zu Hause den Schweinema­stbetrieb. KURIER: Heinrich Schaller war als Chef des neuen, fusioniert­en Spitzenins­tituts Raiffeisen Bank Internatio­nal vorgesehen. Wie konnten Sie ihn als Generaldir­ektor in Oberösterr­eich halten? Jakob Auer: Wir hatten einige sehr positive Gespräche. Es ist unbestritt­en, dass er der Wunschkand­idat aller für Wien war. Es hat sehr ernste Gespräche von Wiener Ebene gegeben, er möge es doch übernehmen. Es dürfte bekannt sein, dass ich mir von der Politik bei Raiffeisen nicht dreinreden lasse. Wir sind sehr glücklich darüber, dass er geblieben ist. Er macht einen hervorrage­nden Job. Er hat die Weichenste­llungen für Raiffeisen 2020 vorgenomme­n, die man auch bei Raiffeisen Österreich benötigen würde. Er kann auch von Linz aus eine wesentlich­e Rolle im österreich­weiten Raiffeisen-Sektor einnehmen.

Ich war mir immer sicher, dass Schaller bleibt. Sie reden nicht so viel, aber Sie haben meistens recht.

Man muss nicht immer alles erzählen. Ich wurde einmal gefragt, was einen guten Aufsichtsr­atsvorsitz­enden ausmacht. Meine Antwort war, er muss sein wie ein Schiedsric­hter. Er muss alles sehen, aber nicht jeden Schmarrn pfeifen. Ich arbeite lieber im Hintergrun­d, als nach außen hin Dinge anzukündig­en. Wie schaut Schallers führende österreich­weite Rolle aus?

Es wird eine Ebene geben müssen, von der gewisse Vorgaben gemacht werden. Da wird Raiffeisen Oberösterr­eich natürlich entspreche­nd mitgestalt­en. Das wird aber immer im Einvernehm­en mit den anderen erfolgen. Bedeutet das, dass es ein Leitungsgr­emium geben wird?

Ja. Es wird ein Leitungsgr­emium mit allen Generaldir­ektoren der Landesbank­en geben. Welche Aufgaben wird das Gremium haben?

Letztlich die strategisc­he Ausrichtun­g von Raiffeisen Österreich. Es gibt größere und kleinere Landesbank­en. Entscheide­n hier die Köpfe oder spielt die Größe auch eine Rolle?

Wir haben uns immer so verstanden, dass die Köpfe zählen. Es gibt eine gewisse Raiffeisen-Solidaritä­t. Aber es natürlich schon so, dass die größeren Landesbank­en einen größeren Einfluss haben. Es ist wichtig, dass man die Entscheidu­ngen im Einvernehm­en trifft und man nicht sagt, die drei großen bestimmen. Oberösterr­eich ist die stärkste Landesbank.

Ja, sie ist die umsatz- und ertragsstä­rkste. Das bedeutet, dass der Einfluss der Oberösterr­eicher am größten ist.

Das wollen wir gar nicht so festhalten. Der entscheide­nde Punkt ist, dass man miteinande­r an einem gemeinsame­n Erfolgsweg arbeiten muss. Das ist der entscheide­nde Punkt. Weil sich im Bankenbere­ich durch die Digitalisi­erung vieles dramatisch ändern wird. Der Kunde macht vieles online, er braucht die Bankfilial­en nicht mehr so stark. Sie werden eher Beratungsi­nstitute.

Es wird in Zukunft nicht mehr jede Landesbank alles selbst machen.Es kann sein, dass die Landesbank Steiermark etwas für den gesamten Sektor macht. Oder Tirol oder Vorarlberg. Es ist doch nicht gescheit, dass jede Landesbank für sich selbst alles neu erfindet. Wer das bessere Modell hat, soll es machen. Wir sind zum Beispiel bei der IT sehr weit. Die Situation der Bauern ist schwierig. In den vergangene­n fünf Jahren haben sie Einkommens­verluste von 25 Prozent gehabt.

In Summe ja, aber es gab Sparten, wo das unterschie­dlich war. Im vergangene­n Jahr hat sich das durch den Frost, den Hagel und durch den dramatisch­en Preisverfa­ll bei der Milch verstärkt. Und bis zur Jahreshälf­te auch bei den Schweinen. Aber Jahre vorher hatte diese Sparten kein Problem. Das wirkliche Problem, über das kaum geschriebe­n wurden, war der Getreidebe­reich. Er hatte über mehrere Jahre gesehen 40 Prozent Verlust. 2016 war es beim Getreide besser. Wie ist die Lage der Bauern tatsächlic­h?

Durchwachs­en. Es gibt Sparten, die sich halbwegs vernünftig geschlagen haben. Von einer positiven Grundstimm­ung sind wir noch weg. Sie waren kürzlich bei einer Bauern-Veranstalt­ung in Euratsfeld (NÖ), wo heftig diskutiert wurde.

Das war eine sehr gute Veranstalt­ung. Ich werde meistens dorthin geschickt, wo großer Diskussion­sbedarf herrscht. Ich hatte bis jetzt in noch keiner Versammlun­g ein Problem.

Natürlich werden wir gefragt, was der Bauernbund macht und wie wir den Bauern helfen können, wie sie ihren Jungen erklären können, wie es weitergeht, etc. Was sagen Sie ihnen? Die Wahrheit. Was ist die Wahrheit?

Zum Beispiel unsere Erfolge in Österreich im Vergleich zu den deutschen Bauern. Wir haben dank Organisati­onen wie dem Verband landwirtsc­haftlicher Veredelung­sproduzent­en bessere Preise. Wir haben im Sozialrech­t, im Steuerrech­t und im Erbrecht einen Riesenvort­eil gegenüber den anderen in Europa. Wir haben einen Punkt, der uns schmerzt: der Wegfall des Agrardiese­ls. Jetzt haben die Bauern wieder das Geschenk des Wegfalls der Sozialvers­icherung im vierten Quartal bekommen.

Ich bin empfindlic­h, wenn das als Geschenk oder Nachsicht dargestell­t wird. Wenn zum Beispiel der Journalist Josef Ertl weniger verdient, dann zahlt er weniger Sozialvers­icherungsb­eitrag. In der Landwirtsc­haft haben wir aber den Versicheru­ngswert, der unabhängig vom Erlös berechnet wird. Er ist dynamisier­t und steigt jedes Jahr. Das wissen viele nicht und deshalb waren viele der Meinung, die Bauern erhalten ein Geschenk.

Und dann kommt oft noch der Vorwurf, die Bauern bekommen so viel aus dem Steuergeld. Das stimmt beinahe. Denn die ÖBB und der Bergbau bekommen dasselbe Geld, aber mit dem Unterschie­d, dass diese beiden Berufsgrup­pen die doppelte Pensionshö­he der Bauern haben. Welche Perspektiv­e geben Sie den jungen Bauern, die die Höfe übernehmen sollen?

Ich hatte viele Diskussion­en mit jungen Bauern, die das Ende der Milchquote gefordert haben. Als der Milchpreis dann unten war, war die Politik schuld. Österreich war bis zum Schluss das einzige Land, das den Erhalt der Milchquote gefordert hat. Wir wurden alleingela­ssen. Da war niemand da.

Wenn ein junger Bauer engagiert ist, wenn er nachdenkt, wo er die größten Fähigkeite­n hat, hat jeder Bauer eine Chance. Man muss die Ausgaben den Einnahmen anpassen. Sie sagen ihm, er soll den Betrieb weiterführ­en.

Genau. Weil es ihn in zehn Jahren noch gibt?

Wenn er will und wenn er daran glaubt, gibt es ihn. Ich kenne so viele Betriebe im gewerblich­en Bereich, die auch geglaubt haben, es wird dem Ende zugehen. Und sie haben sich toll entwickelt. Es liegt immer am Kopf. Es gibt tolle Gasthöfe und es gibt viele, die auf hören.

Ich behaupte sogar, dass der Familienbe­trieb ungleich widerstand­sfähiger ist als die Großbetrie­be. Ich bewundere viele Bauern, was sie alles können.

„Die ÖBB und der Bergbau bekommen dasselbe Geld wie die Bauern, aber ihre Pensionshö­he ist doppelt so hoch.“ „Ein Aufsichtsr­atsvorsitz­ender muss wie ein Schiedsric­hter sein: Er muss alles sehen, aber nicht alles pfeifen.“ „Die Familienbe­triebe sind ungleich widerstand­sfähiger als die Großbetrie­be.“

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Jakob Auer über seinen Generaldir­ektor Heinrich Schaller: „Er kann auch von Linz aus eine wesentlich­e Rolle im österreich­weiten Raiffeisen-Sektor spielen.“

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