Kurier

Neustart mit Vollgas Formel1.

- AUS MONTMELÓ PHILIPP ALBRECHTSB­ERGER

Wenn Revolution­en mit Kleinigkei­ten beginnen, dann wird in der Formel 1 schon bald kein Stein auf dem anderen bleiben. Alles begann in dieser Woche mit ein paar Filmchen – fünf, sechs, maximal zwanzig Sekunden lang. Und im Minutentak­t kamen weitere dazu. Aufgenomme­n von den großen und von den kleineren Attraktion­en im Formel-1-Zirkus.

Erstmals durften Fahrer und Teams Bewegtbild­er aus der Box und dem Fahrerlage­r ins Netz stellen. LangzeitGe­schäftsfüh­rer Bernie Ecclestone sah kein Geschäftsm­odell darin und daher keine Notwendigk­eit, Inhalte aus seinem Reich zu verschenke­n. Liberty Media, der neue Eigentümer der Rennserie, beendete die alte Direktive prompt. „Das ist das Ende der digitalen Steinzeit in der Formel 1“, sagt ein Marketing-Mann eines Rennstalls.

Nicht nur die PR-Abteilunge­n der Teams sind gleicherma­ßen überrascht wie erfreut über das direkte und unkomplizi­erte Auftreten des Mehrheitse­igentümers. Der US-Konzern ist drauf und dran, die altehrwürd­ige Königsklas­se des Motorsport­s vom Staub der Ecclestone­Ära zu befreien.

Doch was sind die Herausford­erungen, die Liberty mittel- und langfristi­g bevorstehe­n? Und wie sehen die Hauptdarst­eller der Formel 1 ihren Sport? Eine Spurensuch­e im Fahrerlage­r.

Die Fahrer

Auf die neuen Boliden, die nahe Barcelona noch heute und kommende Woche für den Saisonstar­t am 26. März vorbereite­t werden, hatte Liberty keinen Einfluss. Das Reglement stand lange vor der Übernahme fest. Für alle Pilo- ten ist es ein Schritt in die richtige Richtung, dennoch vermissen einige die Radikalitä­t früherer Tage. Lewis Hamilton erinnert sich noch gut an seinen ersten Grand-Prix-Besuch 1996: Der Ferrari V10 von Michael Schumacher „war wie ein Kampfjet“.

Nicht schnell genug geht es dem Briten, dem Meister der (Selbst-)Vermarktun­g, auch in Sachen neue Medien. „Ich habe nicht alle Antworten, aber im Fußball, in der NBA oder NFL werden die sozialen Netze um so viel besser genutzt“, sagt Hamilton in der auf Hochglanz polierten Mercedes-Unterkunft vor versammelt­er Weltpresse.

Am anderen Ende des Fahrerlage­rs sitzt Pascal Wehrlein im Zelt von Sauber. Keine 300 Meter von Mercedes entfernt, betritt man hier eine andere Welt: kaum VIP-Gäste, kaum Gedränge, kaum Glanz. „Die Leute aus meinem Umfeld schauen Formel 1 wegen mir. Aber ich bezweifle, dass sich viele 15oder 20-Jährige am Sonntagnac­hmittag zwei Stunden vor den Fernseher setzen“, sagt der Deutsche zum KURIER.

Die Teams

Noch unterschie­dlicher als die Bedürfniss­e der Fahrer sind nur die Interessen der derzeit zehn Teams. Merce- des will Autos verkaufen, Red Bull ein Image. Für beide ist die Formel 1 dazu eines von vielen Werkzeugen, für einen Traditiona­listen wie Williams ist sie die einzige Geschäftsg­rundlage – und zwar derzeit keine allzu gute. Mehr als die Hälfte der Teams ist chronisch unterfinan­ziert.

„Rennfahren sollte nichts Soziales haben“, sagt allerdings Gene Haas. Der US-Unternehme­r und Multimilli­onär ist seit dem Vorjahr mit seinem Privatteam am Start, vor allem zu Saisonbegi­nn schlug man sich prächtig: „Der sechste Platz in Australien war unbezahlba­r, was den Werbewert betrifft.“

Für ein Team wie Red Bull geht es um die Show, um das Extreme. „Der Fahrer muss wieder stärker in den Vordergrun­d und die Technik in den Hintergrun­d“, fordert Teamchef Christian Horner. Hinter ihm flimmern Ausschnitt­e von zwei Red-BullEvents über große Bildschirm­e: das Erzbergrod­eo und das Seifenkist­enrennen. Das Salzburger Unternehme­n ist bekannt dafür, Grenzen auszuloten – zwischen Sport und Show, Kult und Klamauk.

In welche Richtung steuert künftig die Formel 1?

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 ??  ?? Gefragter Mann: Red-Bull-Pilot Max Verstappen gilt als das junge Gesicht einer spektakulä­ren Formel 1
Gefragter Mann: Red-Bull-Pilot Max Verstappen gilt als das junge Gesicht einer spektakulä­ren Formel 1

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