Kurier

Ärzteproze­ss: Kein Funken Reue

Hintergrun­d. Wie es für die NS-Mediziner nach 1945 weiterging

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Als das amerikanis­che Militärtri­bunal am 20. August 1947 die Urteile im Nürnberger Ärzteproze­ss verhängte, traf dies namhafte und wenig bekannte Ärzte. Hitlers Leibarzt Karl Brandt wurde etwa wie sieben andere zum Tode verurteilt, er wusste von den Menschenve­rsuchen, regte auch selbst Experiment­e zu Hepatitis A an. Die anderen erhielten Haftstrafe­n zwischen zehn Jahren und lebensläng­lich. Keiner der Angeklagte­n hatte während des Prozesses einen Funken Reue gezeigt. Zudem kamen einige ihrer Kollegen unbestraft davon, machten später noch groß Karriere.

Warum damals nur wenige Mediziner vor Gericht kamen, weiß Historiker Herwig Czech. „Viele der schwer belasteten Täter haben bei Kriegsende Selbstmord begangen, andere tauchten unter und konnten schwer ausfindig gemacht werden. Die Geschichte ist voll von Tätern, die sich durchgesch­längelt haben“, sagt Czech.

Zum Beispiel Hans Bertha, Gutachter der „T4-Aktion“(der Ermordung erwachsene­r Psychiatri­epatienten im „Deutschen Reich“). Wäre er in den 1960er-Jahren nicht bei einem Autounfall gestorben, hätte sein Fall Potenzial gehabt, ein Skandal im Stil von Heinrich Gross zu werden. Gross ist vermutlich der bekanntest­e Mediziner, der in Österreich nach 1945 Karriere machte. Im benachbart­en Ausland tauchte wieder- um Georg Renno mit falschem Namen unter und vertrat in Deutschlan­d andere Ärzte. Der stellvertr­etende ärztliche Leiter der NS-Tötungsans­talt Hartheim kam in den 1960ern vor Gericht. Dort zeigte er ebenfalls keine Einsicht und gab sich mit Hilfe von Kollegen als verhandlun­gsunfähig aus, berichtet Historiker Herwig Czech.

Neben der dünn besetzten Anklageban­k gab es laut Czech auch noch juristisch­e Einschränk­ungen, die dazu führten, dass Verbrechen an deutschen Staatsange­hörigen – was für die meisten der „Euthanasie“-Opfer zutraf – nicht im Zentrum der alliierten Bemühungen um eine Strafverfo­lgung von NS-Tätern standen.

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