Kurier

Missionare und Märtyrer unter japanische­r Folter

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Drama. Ein kleiner Fußtritt auf das Jesus-Bild genügt, schon ist das Leben gerettet.

Die Versuchung ist groß. Rundherum hängen Menschen mit Kopf nach unten in eine Grube. Eine Ritze am Hals lässt sie langsam verbluten. Schreien und Stöhnen. Der japanische Inquisitor lächelt freundlich: Steigen Sie auf das Bild. Ist doch nur eine Formalität. Mir ist es egal, was Sie wirklich denken.

Für den gequälten Jesuiten-Pater ist es jedoch nicht egal: Soll er seinem Glauben – zumindest nach außen hin – abschwören? Soll er damit das Leben der anderen retten? Oder verrät er Gott? Solche Fragen stellt sich ein por- tugiesisch­er Missionar, der im Japan des 17. Jahrhunder­ts von der Obrigkeit gefoltert wird.

Jahrzehnte­lang hat Martin Scorsese sein Priester-Drama im Herzen getragen, ehe er es verwirklic­hen konnte. Vielleicht hat es auch deswegen so lange gedauert, weil viele Produzente­n seinen Jesus-Skandal um „Die letzte Versuchung Christi“in Erinnerung hatten.

In „Silence“, basierend auf Shūsaku Endōs Roman von 1966, reisen Andrew Garfield („Spider-Man“) und Adam Driver („Star Wars“) als Missionare in die japanische­n Sümpfe, um dort verfolgte Christen zu stärken und einen verscholle­nen Pa- ter (Liam Neeson) zu suchen. Scorsese erzählt im eleganten, klassische­n HollywoodS­til ohne seine signifikan­t langen Kamerafahr­ten. Gekonnt verankert er die Glaubenskä­mpfe in der nebelverha­ngenen Landschaft Japans, deren gleichgült­ige Schönheit die Grausamkei­ten der Folter noch verstärkt.

Wann grenzt tiefer Glaube an Fundamenta­lismus? Wie verzahnt sich Missionier­ung mit kolonialem Machtstreb­en? Ist der Tod der größte Beweis seiner Liebe zu Gott oder bloß sinnloses Opfer?

Scorsese stellt diese Fragen mit großer Aufrichtig­keit. Seine Antworten bleiben profund ambivalent.

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