Den Blues zu haben – eine Lebensaufgabe
Kritik. John Mayall, der Vater der British Blues Explosion in den Sixties, war live im Porgy & Bess
Er spielte „Room To Move“. Wir waren Teenager und begeistert von der exaltierten Mundharmonika. Das ist fast ein halbes Jahrhundert her. Und so lange gilt er bereits als der weiße König des schwarzen Blues, den er aus dem Getto und dem MississippiDelta nach England holte.
Heute ist John Mayall, der Anfang der Sixties den britischen Blues- und BluesrockBoom mitausgelöst hat, mit 83 Jahren immer noch ein verdammt guter Live-Act.
Dienstag stand im restlos ausverkauften Porgy & Bess in der Riemergasse ein großer schlanker Mann mit wei- ßen Haaren auf der Bühne: einer der einf lussreichsten europäischen Musiker der letzten Jahrzehnte, wenn auch keiner der erfolgreichsten und bekanntesten.
Man glaubt es kaum: Wie viele Guitarreros und spätere Superstars – Eric Clapton, Peter Green, Mick Taylor, Walter Trout, Coco Montoya u. v. m. – einst bei ihm und seiner Band The Bluesbreakers in die Lehre gegangen sind, aber auch Bassisten wie Jack Bruce oder Jon McVie, der dann mit dem BluesbreakersDrummer Mick Fleetwood bekanntlich Fleetwood Mac gegründet hat. Mit dem Album „Talk About That“und im schlachterprobten Trio mit Greg Rzab (Bass) und Jay Davenport (Drums) auf „Livin’ & Lovin’ The Blues“-Tour, kommt allerlei von rumpelig und swingend bis erdig und funky über die Rampe – erstaunlich frisch und leidenschaftlich. Als hätte Mayall gerade eine Verjüngungskur hinter sich.
Unverwüstlich
Mayall spielt, immer noch auf der Suche nach dem quintessenziellen BluesSound, Hammond-Orgel und Keyboards, Gitarre und Bluesharp – und singt dazu mit rauer Nicht-Stimme. Er kramt Preziosen aus seinem riesigen Repertoire an eigenen Kompositionen und Coverversionen berühmter Blues-Standards, startet mit Albert Kings „Oh, Pretty Woman“und spielt u. a. einen Song von Sonny Boy Williamson, mit dem er selber noch aufgetreten ist. Aber auch die neuen Titel klingen, als wären sie 1985 oder 1965 entstanden. Auf die Frage, ob man mit dem Blues gut altern kann, kommt die Antwort backstage prompt: „Ja, denn er dauert ewig.“– WERNER ROSENBERGER