Der Jubel und die Unverfrorenheit
Anna Badora schickt das kosmos Theater in die Bezirke, der Stadtrat entscheidet nach gutdünken
ihr Tratsch-Partner geht bereits einige jahrzehnte ins Theater. Er vermeint daher feststellen zu können, dass nirgendwo so viel gejubelt wird wie bei den Premieren im Volkstheater unter der leitung von Anna Badora. Und zwar unabhängig davon, ob es etwas zu bejubeln gibt. natürlich könnte es sich um eine sich ausschließlich im Volkstheater wiederholende Sinnestäuschung handeln. Vielleicht tut ihr TratschPartner dem Volkstheater so- gar unrecht – und es gibt gar keine Claqueure. Er bat daher die Pressesprecherin um informationen über die Zusammensetzung des Publikums: Wie viele karten wurden zuletzt bei „klein Zaches“zum Vollpreis verkauft? Wie viele karten wurden verbilligt abgegeben (als Regiekarten)? Und wie viele karten wurden gratis hergegeben?
lena fuchs antwortete, dass man sich „grundsätzlich“nicht zur Zusammensetzung der vergebenen karten äußere. Das ist bedauerlich. Denn so bleibt das unangenehme gefühl bestehen, dass der jubel im Volkstheater auch andere Ursachen als die leistung haben könne. Das Volkstheater kündigte dieser Tage eine „Deutschsprachige Erstaufführung“an: man spiele statt der kurzfristig abgesagten heimgartenrevue „keine Angst“, die nun am 3. märz in graz aus der Taufe gehoben wird, „Die Blonde, die Brünette und die Rache der Rothaarigen“von Robert hewett. Die deutschsprachige Erstaufführung fand aber bereits am 10. november 2015 im kosmos Theater statt. Was die Abonnenten des Volkstheaters in den Bezirken sehen, ist daher eine Wiederaufnahme – eines wunderbaren Soloabends mit Claudia kottal. Und sie sehen statt des Volkstheaters in den Bezirken das kosmos Theater in den Bezirken. Das kann eigentlich nicht der Sinn sein. Denn das Volkstheater erhält neben der Betriebssubvention rund 800.000 Euro zusätzlich für vier Premieren pro Saison, die „exklusiv für die Bezirke“produziert werden. Themenwechsel. im September gab kulturstadtrat Andreas mailath-Pokorny be- kannt, dass er die förderung der filmfestivals neu zu strukturieren gedenke: „Die Vergabe der mittel erfolgt künftig auf Basis von transparenten kriterien und wird von einem fachlich versierten und unabhängigen Beirat getroffen.“gesagt, getan, der Beirat fällte seine Entscheidungen. Aber dann musste die interessensgemeinschaft forum österreichischer filmfestivals (fÖff) eine „Unverfrorenheit“feststellen: mailath-Pokorny habe Empfehlungen übergangen und die bereits an die festivals kommunizierten Summen „teils wieder revidiert“. Ein solches Vorgehen widerspreche nicht nur den groß angekündigten Regularien, sondern untergrabe „auch nachhaltig die Arbeit des Beirats und der betroffenen festivals“.
im Büro von mailath-Pokorny verstand man die Aufregung nicht. Es seien ohnedies 60 Prozent umgesetzt worden. Und bei den anderen 40 Prozent sei der Stadtrat den Empfehlungen „in der Tendenz“gefolgt: kürzungen wurden abgefedert, Subventionserhöhungen zurückge- nommen. Ein Verlierer der Eigenmächtigkeiten ist das festival Vienna Shorts, das laut
APA statt der empfohlenen Summe von 20.000 Euro nur deren 5000 mehr erhält.
Beate meinl-Reisinger, Chefin der Wiener neos, fiel zudem auf, dass statt der angekündigten 800.000 Euro für die festivals (ohne die mit 1,5 millionen geförderte Viennale) nur 729.000 ausgeschüttet wurden. Sie brachte daher eine Anfrage ein – und will den fall auch heute in der fragestunde des gemeinderats aufgreifen. Die frage an mailath lautet: „Aus welchen gründen wurden die Empfehlungen des Beirats nicht vollständig übernommen und eine Umverteilung der empfohlenen fördersummen vorgenommen?“Vielleicht weil der Stadtrat ein besonders großes herz für manche hat?