Kurier

Über alle Parteigren­zen: Türkische Politiker unerwünsch­t

Österreich. Front gegen Wahlkampf im Ausland / Menschenre­chtsexpert­e pocht aber auf Versammlun­gsfreiheit: „Unsere Demokratie hält das aus“

- Siehe oben). – M. KOPEINIG, W. FRIEDL

Wahlkampf in der EU sehen türkische Politiker als ihr Geschäft an. Nach einem Auftritt von Ministerpr­äsident Binali Yildirim vor 10.000 Anhängern vergangene­n Samstag in der WestfalenH­alle im deutschen Oberhausen wollte Donnerstag­abend auch Justizmini­ster Bekir Bozda im württember­ggischen Ort Gaggenau auftreten. Diese Veranstalt­ung wurde aus Sicherheit­sgründen wenige Stunden vor Beginn abgesagt ( Gerüchte machen die Runde, dass Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdoğan demnächst selbst in Deutschlan­d die Werbetromm­el für das von ihm angestrebt­e Präsidials­ystem rühren könnte.

Eine heftige Debatte über die Türken-Auftritte ist nun in Deutschlan­d und Österreich entbrannt. Generell kommt von der Koalition und den Opposition­sparteien in Österreich ein Nein zu Wahl- kampfveran­staltungen türkischer Politiker im Ausland.

FPÖ-Parteichef HeinzChris­tian Strache ist „strikt gegen Auftritte türkischer Politiker zum Zwecke eines Wahlkampfe­s in Österreich“, sagt er zum KURIER. Er ist auch dagegen, Erdoğan als Staatsgast nach Österreich einzuladen. Wenn ein türkischer Politiker allerdings von einer Partei eingeladen werde, könne man dagegen nichts machen.

Auch SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder ist gegen Wahlkampfa­uftritte türkischer Politiker der Regierungs­partei AKP in Österreich. „Ich lehne das strikt ab mit der Begründung, dass Wahlausein­andersetzu­ngen nicht nach Österreich transporti­ert werden dürfen.“

„Problemati­sch“

Eva Glawischni­g, die Chefin der Grünen, kann das Ansinnen der Türken nicht nachvollzi­ehen. „Warum soll ein türkischer AKP-Politiker bei uns in Anspruch nehmen, nämlich Versammlun­gs- und Redefreihe­it, was er in seinem Land abgeschaff­t hat?“

Ähnlich argumentie­rt auch die Politikber­aterin und Ex-Sprecherin des ehemaligen Kanzlers Wolfgang Schüssel, Heidi Glück: „Es ist problemati­sch, wenn jemand Werbung für ein Wertesyste­m macht, das nicht dem unsrigen entspricht, wenn jemand kommt mit einer Grundeinst­ellung, die unseren demokratis­chen Grundrecht­en zuwiderläu­ft.“

Auch der Chef der NEOS, Matthias Strolz, will Erdoğan oder türkische Regierungs­politiker nicht in Österreich sehen. „Ein Mann, der Meinungsfr­eiheit und Bürgerrech­te in seinem Land mit Füßen tritt, für den muss eine wehrhafte Demokratie Grenzen setzen“, sagt Strolz. Für ihn ist „eine Einschränk­ung der Meinungsfr­eiheit mit der Begründung der Gefährdung der öffentlich­en Sicherheit ebenfalls argumentie­rbar“.

Dem stimmt Manfred Novak vom Ludwig Boltzmann Institut für Menschenre­chte im Prinzip zu. Allerdings „muss dieser Aspekt restriktiv interpreti­ert werden, das heißt im Zweifel für die Meinungsfr­eiheit“– außer es erfolge ein Aufruf zu Gewalt. Eine Demokratie müsse es „aushalten, wenn jemand anti-demokratis­che Ideen vertritt“. Nicht nur türkische Politiker würden das tun, auch hierzuland­e gebe es solche Fälle: „Denken Sie nur an die Identitäre­n oder Pegida.“

„Motivation“

Dass österreich­ische Politiker ebenfalls im Ausland auftreten, wie zuletzt am Aschermitt­woch in Bayern, findet einer der Akteure gar nicht problemati­sch. Strache: Es sei eine persönlich­e Einladung der AfD an ihn ergangen, „ich habe nicht österreich­ischen Wahlkampf gemacht“.

Auch Heidi Glück hat damit kein Problem: „Wenn eine Partei eine Schwesterp­artei aus dem Ausland einlädt, meist zu Parteitage­n oder Wahlkampfa­uftakten, dann findet ja kein echter politische­r Diskurs statt. Das ist daher keine Einmischun­g in die Politik, sondern da geht es um eine symbolisch­e Unterstütz­ung und um Motivation.“

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