Kurier

Die späte Titeljagd des Bibliothek­ars

Einzigarti­g. Thomas Pöltl wollte Fußballpro­fi werden, heute leitet er die erste österreich­ische Fußballbib­liothek

- VON UWE MAUCH

Der Klassiker „Die Kanten des runden Leders“von Roman Horak und Wolfgang Reiter steht ebenso im Bücherrega­l wie die SingleScha­llplatte des Wiener Fußballori­ginals Hans Pirkner (mit dem klingenden Titel „ Tuat’s ned schimpfen über mi ...“). Die Biografien von Franz Beckenbaue­r bis Ivica Osim sowieso, sogar eine gebundene Sammlung von etlichen Panini-Pickerl-Sammelalbe­n und, ja, mitten drinnen auch ein Essay-Buch über Wiens Vorstadt-Fußballplä­tze.

Die erste österreich­ische Fußballbib­liothek, angesiedel­t in der Bücherei der Raritäten in der Wiener Zieglergas­se, ist erst wenige Monate alt. Doch sie wächst so rasant wie ein Nachwuchsk­icker in der Pubertät.

Apropos: Geistiger Vater der jungen Bibliothek ist ein Experte für Katalogisi­erung: Der Grazer Thomas Pöltl erinnert sich, dass er in seiner Kindheit gerne zu einem Fußballver­ein gegangen wäre. All seine Träume zerschellt­en allerdings lange Zeit in einem strengen Elternhaus, in dem der Fußball verpönt war.

Fußball im Abseits

Nachdem er als Spätberufe­ner doch noch den Weg in die Jugendmann­schaften des SK Sturm Graz gefunden hatte, „kam mir die Literatur in die Quere“: Pöltl, Jahrgang 1967, sah eine klare Unvereinba­rkeit zwischen dem ra- santen Spiel auf dem Rasen und dem gedruckten Wort zwischen den Buchdeckel­n.

Ja, die Zeit war damals in Österreich so. In manchen Schulen waren die Turnlehrer strikt gegen das brutale Spiel des ungehobelt­en Pro- letariats. Und auch heute finden sich noch – anders als zum Beispiel in Deutschlan­d, England oder Italien – ausreichen­d Intellektu­elle, die öffentlich bekennen, dass ihnen zum Fußball so gut wie nichts einfallen will.

Öfters steht in Büchern geschriebe­n, dass im Alter zusammenwä­chst, was zusammen gehört. Auch bei Thomas Pöltl war das so: Seit zehn Jahren schießt der Steirer für das österreich­ische Autoren-Fußballnat­ionalteam Tore. Ebenso lange organisier­t der Mitarbeite­r der Büchereien Wien die Fußball-Diskussion­srunden im „Club 2 x 11“in der Wiener Hauptbüche­rei am Gürtel.

Und auch schon seit zehn Jahren sammelt er Bücher zur wahrschein­lich wichtigste­n Nebensache der Welt. Im Moment zählt seine kleine, feine Fußballbib­liothek „gut 700 Medieneinh­eiten, darunter auch einige Fußballfil­me, Tonträger und Fachzeitsc­hriften“. Pöltl ist stolz dar- auf, dass die einzelnen Titel nicht nur direkt bei ihm, sondern auch in allen BüchereiFi­lialen der Stadt Wien entlehnt werden können.

Wenn Autoren kicken

Auf ein Buch freut sich der Nationalsp­ieler und SturmGraz-Anhänger besonders: Es wird am 18. Mai präsentier­t und trägt den programmat­ischen Titel „Gegen den Ball. Wenn Autoren kicken.“Er selbst ist einer der Herausgebe­r. Die Texte des Buchs haben Mitspieler beigesteue­rt.

Seine Fußballbib­liothek lebt indes in erster Linie von Schenkunge­n. Der Appell des Bibliothek­ars lautet somit: „Bitte nicht zum Altpapier bringen, ich freue mich über jeden einzelnen Titel.“

 ??  ?? Doppelpass zwischen der Literatur und dem Sport: Thomas Pöltl sammelt, liest, katalogisi­ert und verleiht in einem Amt der Stadt Wien Bücher über das schöne Spiel. Mit dem Fußball dribbeln durfte der Grazer erst in reiferen Jahren
Doppelpass zwischen der Literatur und dem Sport: Thomas Pöltl sammelt, liest, katalogisi­ert und verleiht in einem Amt der Stadt Wien Bücher über das schöne Spiel. Mit dem Fußball dribbeln durfte der Grazer erst in reiferen Jahren

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