Islam: So gefährlich sind Koranschulen in Österreich
Ohne Kontrolle. Unterricht behindert Integration muslimischer Kinder.
Stolz lachen die Kinder in die Kamera, nur das eine oder andere blickt etwas grimmiger. Es ist ein Gruppenbild einer Zeugnisverteilung, wie es zu Beginn der Semesterferien zuhauf auf den Facebookseiten von Schulen gepostet wird. Doch etwas irritiert. Schon die kleinen Mädchen, nicht älter als neun Jahre, sitzen mit einem Kopftuch in der Klasse. Aufgenommen wurde das Bild in einer Nachmittagsschule für Korankurse des türkischen Moscheenverbands ATIB in Wien-Brigittenau.
Dass Mädchen im Volksschulalter Kopftuch tragen, ist das eine Problem. Das andere und bisher kaum beachtete sind die Korankurse in den Moscheen selbst. In vielen der rund 300 Gebetshäuser in ganz Österreich werden solche Kurse für Kinder und Jugendliche angeboten. Betreiber sind Moscheevereine wie ATIB oder Millî Görüş. Was dort unterrichtet wird, oder wer dort unterrichtet, ist allerdings kaum bekannt.
Keine Kontrollen
KURIER-Anfragen bei einigen Vereinen, einen Kurs besuchen zu dürfen, wurden höflich aber bestimmt abgelehnt. Religionspädagoge Ednan Aslan schätzt, dass rund 35.000 muslimische Kinder zusätzlich zum herkömmlichen Islamunterricht in den Schulen auch einen Korankurs besuchen. Dagegen sei grundsätzlich nichts einzuwenden, „viele religiöse Einrichtungen leisten eine tolle Jugendarbeit“, sagt der Politologe Thomas Schmidinger. Das Problem mit dem Unterricht in den Moscheen, der entweder nachmittags oder am Wochenende stattfindet, sehen Experten aber darin, dass die Imame, die hier den Koran unterrichten, weder pädagogisch geschult sind, noch einheitliche Lehrpläne existieren. Kontrollmechanismen gibt es keine.
Wohin das führen kann, zeigte jüngst ein Bericht im auf Migrantenthemen spezialisierten Magazin Biber. Redakteurin Melisa Erkurt berichtete undercover aus einem Wohnheim der Süleymancılar. Die Süleymancılar ( islamisch, türkischer Verein), die mit der muslimischen Dachorganisation „UIKZ“assoziiert werden, stehen für eine besonders strikte Auslegung des Koran. Sie seien auch in der Türkei umstritten, „politisch, aber harmlos“, sagt Schmidinger. Gelernt wird dort, was im Koran steht. Wort für Wort, Sure für Sure – auswendig und auf Arabisch. „Die Kinder verstehen oft nicht einmal, was sie da beten“, sagt Erkurt. „Es wird nichts hinterfragt, nur wiederholt.“
„Schwarze Pädagogik“
Der Soziologe Kenan Güngör betrachtet solche Methoden als problematisch: „Was hier gelehrt wird, ist oft schwarze Pädagogik: Wenn du das nicht tust, kommst du in die Hölle.“Den Kindern werde Angst eingeimpft, man warne sie vor einer lasterhaften Gesellschaft.
„Die Schulen werden von konservativen Vereinen mit einer islamistisch nationalis- tischen Agenda und einem rückwärtsgewandten Weltbild geführt“, kritisiert der ehemalige Grünen-Abgeordnete Efgani Dönmez. Die Vereine seien sich dabei vollkommen selbst überlassen.
Politologe Schmidinger spricht daher von „einer Blackbox“. „Man weiß nicht, was da wirklich gelehrt wird.“Eine staatliche Kontrolle sei jedoch problematisch. „Das wäre ein Eingriff in die Religionsfreiheit.“Gefragt ist die Islamische Glaubensgemeinschaft. Esad Memic, Vizepräsident der IGGÖ, betont, er habe diesen Aufgabenbereich erst vor einem Monat übernommen. Dennoch findet er im KURIER-Gespräch deutliche Worte: „Wir verste- hen die Sorgen, dass die Kinder in den Koranschulen nicht integriert werden.“
Expertenkonferenz
Im Mai will er eine Konferenz zu dem Thema einberufen. „Danach werden wir einen Kriterienkatalog erstellen. In den Moscheen müssen die Richtlinien der IGGÖ gelten. Wichtig sind Toleranz, Gemeinnützigkeit und Weltoffenheit“, betont Memic.
Für Ercan Nik Nafs von der Wiener Kinder- und Jugendanwaltschaft gehören zu einheitlichen Standards auch schon so profane Dinge wie eine kindergerechte Ausstattung der Räume. „Natürlich braucht es auch eine pädagogische Ausbildung der Er- zieher“, sagt Nik Nafs. Diese Ausbildung wäre im regulären Islamunterricht sichergestellt. Ednan Aslan sieht die Schulen aber als Ergänzung.
„Religionsunterricht hat die Aufgabe, religiöse Inhalte, die in den Moscheen gelehrt werden, kritisch zu ref lektieren.“Problematisch sei allerdings, wenn dort eine künstlich-ausländische Atmosphäre geschaffen werde, die Isolation begünstigt. Bei der IGGÖ scheint die Botschaft angekommen. „Ziel ist es, Parallelgesellschaften zu vermeiden. Wir wollen keine isolierten Moscheen“betont Memic. „Ich bin fest entschlossen, das durchzuziehen. Wir wollen einen Islam europäischer Prägung.“