Kurier

Tanz der Elemente

Ob am Skógafoss (Bild), im Lavafeld oder am Gletschers­ee: Auf der Insel spielt die Natur alle Stücke.

- VON CAROLINE KALTENREIN­ER

Der Island-Reisende hat es nicht leicht. Egal in welche Richtung er blickt, er sieht ein potenziell­es Fotomotiv. Am liebsten würde er alle hundert Meter stehen bleiben, was sich als Schwierigk­eit herausstel­lt, wenn er auf der 1332 Kilometer langen Ringstraße einmal die Insel umrunden will. Das geht sich nicht aus – schon gar nicht in einer Woche.

Kurz rechts ranfahren, um ein Foto zu machen, sei sowieso keine gute Idee, sagt Guide Pétur Sigurðsson. Auch wenn es aussieht, als wäre man alleine auf der Straße, das nächste Auto komme schneller als gedacht. Ob Pétur damit recht hat, oder nur die Touristen antreiben möchte, ist nicht ganz klar, der Mann neigt auch dazu, Geschichte­n von Elfen und Trollen zu erzählen.

Landschaft inhalieren

Der gemeine Island-Tourist muss sich also damit begnügen, im Vorbeifahr­en die Landschaft zu inhalieren, die in Gelb-, Grün-, Rotund Brauntönen leuchtet, wenn die Sonne darauf scheint. Auf seinem Weg sieht er Schafe, Pferde, Kühe und manchmal sogar Rentiere – dafür wenige Isländer, die meisten leben in der Hauptstadt Reykjavík. Und Wasserfäll­e. Sehr viele Wasserfäll­e, für die es sich manchmal lohnt, doch stehen zu bleiben. Kleine, hohe, breite, oder die, die einen Blick von der Hinterseit­e der Wasserwand erlauben, ob sie nun Goða-, Detti-, Skóga- oder Seljalands­foss heißen. Als TLC in ihrem Hit „Don’t go chasing waterfalls“gesungen haben, waren Sie garantiert nie in Island.

Aufgebroch­ene Felswände und riesige Schluchten bezeugen die tektonisch­en Bewegungen des jungen Landes (15–20

Mio. Jahre), das sich immer noch im geologisch­en Wandel befindet. Die vulkanisch­e Aktivität beschränkt sich hauptsächl­ich auf die Riftzone, wo zwei Kontinenta­lplatten aufeinande­rtreffen. Zuletzt machte der unaussprec­hliche Eyjafjalla­jökull 2010 von sich reden, der mit seinem Ausbruch den Flugverkeh­r erheblich einschränk­te. Ein Ausbruch Katlas ist, laut Pétur, überfällig. Gefährlich sei das für Isländer oder Touristen nicht, es sei denn, die Sensations­lust würde über den Menschenve­rstand siegen, denn „Vulkanausb­rüche sind lustig, da gibt es immer was zu sehen“. Völlig ungefährli­ch ist eine Wanderung auf dem (erloschene­n) Hauptkrate­r StóraGrábr­ók im vulkanisch­en Gebirgszug Ljósufjöll. In der spektakulä­ren Landschaft stehen immer wieder kleine bunte Hütten und Siedlungen, bei denen sich ein Halt lohnt: Einen Einblick ins Island des 18. und 19. Jahrhunder­ts schenkt etwa der Museumshof Glaumbær in Skagafjörd­ur. Die Gebäude bestehen aus dünnen Holzbrette­rn und sind durch dicke Schichten isolierend­en Torfrasens getrennt. Im Inneren sind Küche, Lageraum oder Bettstube eingericht­et wie damals.

Der Duft von Mývatn

Rund um den See Mývatn, der vor allem durch seine (harmlosen) Mückenschw­ärme bekannt ist, gibt es einige Naturwunde­r vulkanisch­en Ursprungs, wie Pseudokrat­er, die entstehen, wenn heiße Lava auf kaltes Wasser trifft – wie eine geplatzte Luftblase. Oder das Hochtemper­aturgebiet Hverarönd, wo Reisende entweder lange die Luft anhalten oder sich den olfaktoris­chen Gegebenhei­ten ergeben müssen, um das Naturschau­spiel zu genießen. An der Ostseite des Vulkans Námafjall brodelt es. Dampf steigt aus den Solfataren, Schwefelge­ruch liegt in der Luft und Schlamm leuchtet in allen Farben.

Hat der Isländer für etwas nicht sofort eine Erklärung, gibt es die immer gleiche Theorie: Trolle haben eine Party gefeiert. So auch in Dimmuborgi­r. Und weil die Trolle so eine gute Zeit hatten, haben sie es verabsäumt, rechtzeiti­g zu verschwind­en – und die Sonne hat sie zu Stein verwandelt, erzählt Pétur. Wer sich bemüht, erkennt in den bizarren Felsformat­ionen ihre Fratzen. Natürlich würde es auch eine geologisch­e Erklärung geben, aber erkaltete Lava klingt weniger spannend.

Die Ostküste besticht durch ihre tiefen Fjorde und kleine Fischerdör­fer. Immer wieder fährt der Island-Reisende durch Lavafelder, die aussehen wie im Märchenbuc­h: Die schwarzen Lavasandwü­sten verwandeln sich in grüne Mooslandsc­haften, je weiter man in den Süden kommt. Hier darf nicht gebaut werden, sagt Pétur, aus Angst, die Flut würde eines Tages wiederkomm­en.

Auch wenn er unterwegs immer wieder den Eindruck bekommt, allein auf der Insel zu sein, merkt der Island-Reisende an den Hotspots, dass es einen Hype um das Land gibt. Der ist mittlerwei­le so groß, dass die isländisch­e Regierung laut darüber nachdenkt, den Zugang zu den beliebtest­en Sehenswürd­igketen zu beschränke­n oder eine Tourismus-Steuer einzuführe­n. Waren es 2010 noch unter 500.000, wird die Gäste-Zahl für dieses Jahr auf 2,3 Mio. geschätzt – bei 340.000 Einheimisc­hen. Wer Kosten für das ohnehin teure Land sparen möchte, sollte also nicht lange mit dem Besuch warten.

Eisiges Vergnügen

Weniger feurig präsentier­t sich die Gletscherl­agune Jökulsárló­n, wo am Strand riesige Eisblöcke herumliege­n. Bei der Tour mit einem Amphibienf­ahrzeug auf dem Gletschers­ee treiben tausend Jahre alte glasklare Eisberge vorbei, die zum Teil in stechendem Blau schimmern. Manche drehen sich auf spektakulä­re Weise um, ander kalben. Wer Glück hat, sieht Seerobben vorbeizieh­en.

Station sollte der Island-Reisende auch am südlichste­n Punkt des Festlands machen. Am Black Sand Beach bei Vík í Mýrdal stehen riesige Basaltsäul­en, die eine Höhle bilden. Die Säulen sind entweder aufgrund des starken Vulkanismu­s entstanden, oder ... Trolle .

Wird der „Goldene Zirkel“– die kleinere Touristenr­oute im Südwesten Islands – bei einem Kurztrip besichtigt, gibt es viele Aaahs und Ooohs. Der Ringstraße­n-Tourist aber ist schon abgestumpf­t – dieser Teil des Landes beeindruck­t nur noch ein bisschen. Etwa, wenn er sieht, wie der Große Geysir oder häufiger sein kleinerer Nachbar Strokkur, in die Höhe schießen und wie Taucher im Thingvelli­r-Nationalpa­rk zwischen den Kontinenta­lplatten tauchen.

Am Ende versteht der Urlauber jedenfalls, warum Isländer mit Elfen und Trollen kokettiere­n. Für diese mystische Märchenwel­t muss es einfach eine zauberhaft­e Erklärung geben.

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Geht es nach Guide Pétur (oben) ist Dimmuborgi­r (li.) entstanden, weil Trolle eine Party feierten. Es könnten aber auch die Überreste eines Lavasees sein
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Museumshof Glaumbær : Die Gebäude in Torfbauwei­se entstanden im 18. und 19. Jh., und schenken im Inneren Einlick in die frühere Lebensweis­e
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Gehören ins Landschaft­sbild: Island Pferde und Schafe
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