Kurier

Indianer werden an den Rand gedrängt

Widerstand regt sich. Monokultur­en, Bergbau und Mega-Projekte gefährden indigene Bevölkerun­g

- – WALTER FRIEDL

Mato Grosso do Sul ist ein heißes Pflaster. Das Agro-Business überrollt den brasiliani­schen Bundesstaa­t (so groß wie Deutschlan­d) dort seit Jahrzehnte­n, der dichte Urwald wurde flächendec­kend geholzt, 80 Prozent der landwirtsc­haftlich nutzbaren Flächen sind mit den großteils für den Export bestimmten Monokultur­en Soja, Eukalyptus oder Zuckerrohr bepflanzt, riesige Weiden für die Viehzucht runden das Bild ab. Auf der Strecke bleibt die indigene Bevölkerun­g, die um ihre Rechte und Grund und Boden kämpft – oft unter Lebensgefa­hr.

„Meine Vorfahren waren immer schon hier, da gab es nur Wald, deswegen heißt mein Stamm auch Kaiowa, das bedeutet Waldbewohn­er“, sagt Anastacio Peralta, der jüngst bei einer Veranstalt­ung des Lateinamer­ikaInstitu­ts in Wien war. Jetzt seien seine Leute und die anderer Ethnien auf winzigen Flecken zusammenge­pfercht, die Böden seien schlecht und gäben nicht genug her, dass die Familien überleben könnten.

Daher kommt es regelmäßig zu Landbesetz­ungen, bei denen sich die Menschen in schmale Streifen zwischen der Straße und den Zäunen von Großgrundb­esitzern niederlass­en. „Pistoleiro­s“, gedungene Mörder, würden immer wieder auftauchen und versuchen, die Indianer zu vertreiben, sagt Peralta und spricht von „Rassismus“. Das alles sei zutiefst erniedrige­nd, doch aufgeben, aufgeben würden sie niemals.

Nur noch 810.000 Indios

Aktuell leben rund 810.000 Indianer in Brasilien und stellen gerade einmal 0,4 Prozent der 200 Millionen Einwohner – zu Beginn der Kolonisati­on zu Beginn des 16. Jahrhunder­ts waren es noch fünf Millionen und 100 Prozent. „Heute sind wir eine Minderheit unter den Minderheit­en“, formuliert Gersem Luciano Baniwa, ein Indianer aus dem Amazonasge­biet.

Dort sei er vor allem mit zwei Problemen konfrontie­rt. Das sei zum einen der intensive Ausbau der Wasserkraf­t mit riesigen Staudämmen, was den indigenen Stämmen die Existenzgr­undlage entziehe – dagegen wehrt sich zeitlebens auch Erwin Kräutler, der zwischen 1981 und 2015 Bischof der Diözese Xingu war. „Die gewonnene Energie kommt dabei nicht der regionalen Bevölkerun­g zugute, sondern primär der Groß- und Schwerindu­strie im Süden, vor allem in Sao Paolo“, klagt Baniwa.

Ein zweites Problem sei der zunehmende Abbau von Bodenschät­zen, der nicht einmal vor bereits abgesteckt­en Indianer-Gebieten Halt mache. „Die jetzige Regierung will unbedingt aus der Krise kommen, und dazu ist ihr jedes Mittel Recht“, analysiert Baniwa. Geschürft werde vor allem nach Gold, Diamanten, Uran und Niob. Letzteres ist unerlässli­ch für die Stahlprodu­ktion, 80 Prozent des weltweiten Angebots stammen aus einer Mine in Brasilien, zählt man die noch nicht exakt erforschte­n Lagerstätt­en dazu, schlum- mern 97 Prozent des Metalls im Amazonasbo­den.

Gemein ist den Indianern des südamerika­nischen Landes, dass sie trotz aller Widerständ­e weiterhin für ihre Rechte eintreten werden – und dafür voll auf Bildung setzen: „Wir zählen derzeit 22.000 indigene Pädagogen und 33.000 Uni-Studenten“, sagt Anastacio Peralta, „darin liegt unsere ganze Hoffnung, das ist unsere Investitio­n in die Zukunft.“

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