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Interview. Rag’n’Bone Man über „Human“, Serienmörd­er und Elton John

- VON BRIGITTE SCHOKARTH

„Wenn ich auf meinem Telefon ,Unbekannte­n Nummer’ sehe, hebe ich normalerwe­ise nicht ab“, sagt Rag’n’Bone Man. „Aber mein Manager war da, sagte: ,Geh doch ran!’ Ich tat’s und hörte: ,Ich bin’s, Elton. Ich liebe, was du machst, du bist brillant!’ Es war unglaublic­h: Elton rief mich an, nur um mir zusagen, wie gern er meinen Song mag!“

Der Song heißt „Human“und katapultie­rte Rag’n’Bone Man im Herbst vorigen Jahres von einer Größe der britischen Undergroun­dSzene in die Charts und den Mainstream.

Samstag stellte der als Rory Graham geborene Musiker diesen Song und sein ebenfalls „Human“genanntes Debüt-Album live in der Ottakringe­r Brauerei in Wien vor. Natürlich war der Hit dabei ein Highlight. Aber Rag’n’Bone Man zeigte auch, dass er weit mehr drauf hat. Sein Stil pendelt zwischen Soul, Blues, hat aber auch Einflüsse aus HipHop, Funk und sogar folkige Elemente. So hatte der 32-Jährige eine abwechslun­gsreiche Basis für seine mächtige Soul-Stimme, die besonders berührend klang, wenn er sie solo oder nur mit Klavier- oder Gitarren-Begleitung einsetzte.

Lampenfieb­er

Und das, obwohl Rag’n’Bone Man erst mit 21 Jahren zu singen begann, weil er als Teenager eine Karriere als MC anstrebte, rappte und in Brighton nicht weit von seiner Heimatstad­t Uckfield Jungle- und Hip-Hop-Events organisier­te. „Ich hatte im Schulchor gesungen. Aber dann nur mehr, wenn keiner zuhörte“, erzählte er am Nachmittag beim KURIERInte­rview im Hof der Ottakringe­r Brauerei.

Zuhause hatte der Zwei-Meter-Mann als Fünfjährig­er die Musik entdeckt. Sein Vater und sein Onkel spielten an den Abenden auf der Gitarre Blues („Wir haben nie ferngesehe­n“), die Mutter sang Songs von Joni Mitchell und Bob Dylan. „Ich lernte in meinem Zimmer zu den Platten von John Lee Hooker singen. Aber ich dachte nicht, dass das jemanden interessie­rt. Und ich hatte Angst, öffentlich zu singen. Rappen war viel einfacher.“

Wann änderte sich das? „Mein Vater und ich gingen immer zu diesen Jam-Sessions und eines Tages ging ich dabei einfach auf die Bühne und sang. Ein bisschen Whiskey war da wohl auch involviert.“

Es waren die verblüffte­n Reaktionen des Publikums, die ihn veranlasst­en,umzusattel­n und das Lampenfieb­er beim Singen zu überwinden. Sechs Jahre lang arbeitete sich Rag’n’Bone Man dann – neben dem Brotjob als Betreuer von Jugendlich­en mit Down Syndrom – mit ein paar EPs in der Szene hoch.

Warum ihm ausgerechn­et „Human“den Durchbruch brachte, weiß er genau: „Es klingt anders, als alles andere, was in den Charts war. Es ist originell, was die jungen Leute ansprach. Aber es erinnert auch an ältere Musik. Und vielleicht liegt es ja auch am Inhalt: Es entstand, als ein Freund mich etwas über ein Problem fragte, das ich nicht beantworte­n konnte. Aber es geht auch darum, wie sich manche Leute über Sachen aufregen, die nicht wirklich Probleme sind. Wenn sie sich zum Beispiel im Restaurant beschweren, dass das Essen nicht schnell genug kommt. Aber in einem größerem Zusammenha­ng ist das überhaupt nicht wichtig. Denn wir haben alle, was wir brauchen: Wasser, Essen und ein Dach über dem Kopf. Tausende andere Menschen haben das nicht.“

Wehmut

Gerne holt sich Rag’n’Bone Man Inspiratio­n aus dem Umfeld, singt über die Oma, oder einen Freund, der seine Tochter nicht sehen darf. Und bei „Lay My Body Down“über einen Serienmörd­er, der Schuldgefü­hle bekommt. „Der Auslöser dafür war wohl nur meine morbide Fantasie“, grinst er.

Obwohl er seit acht Jahren mit seiner Freundin zusammen ist, schreibt er auch Lieder über die Schmerzen der Liebe. Das beste davon heißt „Skin“und begann mit der TV-Serie „Game Of Thrones“: „Ich sah wie Jon Snow das rothaarige Wildling-Mädchen liebt, aber nicht mit ihr zusammen sein kann, weil sie in getrennten Welten leben. Am nächsten Tag hab ich den Song geschriebe­n.“

Wehmut schwingt mit, als er erzählt, dass es ihm seit dem Erfolg ähnlich geht und er fünf Minuten vor dem Interview seiner Freundin für die Hochzeit eines befreundet­en Paares absagen musste, weil er an dem Tag noch auf Tour ist. „So ist das halt im Moment. Aber es gibt ja auch viel Großartige­s: Ich wollte immer einen Song in der TV-Serie ,Eastenders‘ haben, die eine britische Institutio­n ist, die ich seit meiner Kindheit verfolge. Das haben sie mir vorige Woche erfüllt.“

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Rag’n’Bone Man live: Er kommt zum Nova Rock

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