In der Shisha-Bar ist Politik out
Partykultur. Wie feiern türkische Jugendliche in Wien? Mal multikulti, mal nur unter sich
Der Besuch einer Shisha-Bar ist zunächst vor allem ein olfaktorisches Erlebnis. Der Duft von Apfel-Tabak steigt schon am Eingang des kleinen Souterrain-Lokals unweit der Märzstraße im 15. Wiener Gemeindebezirk in die Nase. Dabei ist an diesem lauen Nachmittag noch gar nicht viel los. Zwei Burschen sitzen mit Laptop in einer Ecke, ziehen gemütlich an ihrer Wasserpfeife, daneben eine Runde von drei Mädchen, allesamt Anfang 20, die gerade eine Shisha bestellt hat.
Wir sind gekommen, um mit türkischstämmigen Jugendlichen über ihr Leben in Wien zu sprechen. Wo gehen sie fort, welche Musik hören sie – und was sagen sie zur aktuellen politischen Situation rund um Präsident Erdoğan und der Volksabstimmung in der Türkei? Eray Erkurt winkt da aber gleich ab. „Das ist kein Ort für Politik“, sagt der Besitzer der Selcuklu-Shisha-Bar. Die Zuspitzung der vergange- her kämen auch viele Touristen, Leute vom Balkan und Österreicher. „Wir sind multikulti. Die Shisha ist eine Friedenspfeife“, sagt Erkurt.
In der Clubszene sieht die Sache anders aus. „Man muss schon sehr darauf achten, mit wem man fortgeht, und was man anzieht“, sagt Atakan Dikici. Dass der Jusstudent und seine türkischen Freunde von Türstehern in Wiener Clubs abgewiesen wurde, sei mehr als nur einmal passiert. „Dabei wären wir Türken eigentlich ein Glücksfall: Bei uns geht keiner mit nur zehn Euro in der Tasche fort, da stehen immer zwei Flaschen Hochprozentiges am Tisch.“
Türkische Clubkultur
Seit rund einem Jahr veranstaltet er jetzt selbst Events – mit einem eigenen DJ aus der Türkei, für ein überwiegend türkisches Publikum. „Die Clubszene hat sich in den letzten Jahren enorm verbessert“, sagt der 27-jährige Austro-Türke.
Früher hätte es lediglich vereinzelt Konzerte von türkischen Sängern gegeben. Mittlerweile könne man als Jugendlicher, der türkische Musik hören will, praktisch jedes Wochenende in einen eigenen Club gehen. Was Politik betrifft, hält auch er sich bedeckt. „Es ist uns nicht egal, was in der Türkei passiert, aber das hat mit dem Leben, das wir hier führen, nichts zu tun.“
Was das Lebensgefühl in der Türkei betreffe, hätten viele ohnehin ein falsches Bild, sagt Serkan Kahraman, der es sich gemeinsam mit seinem Neffen Hakan auf den orientalischen Sofas der Selcuklu-Shisha-Bar gemütlich gemacht hat. „Die Türken hier bekommen ihre Informationen nur aus dem Fernsehen, das hat mit der Realität wenig zu tun.“
Der 27-Jährige ist seit zwei Jahren in Wien, hat zuvor in Istanbul Psychologie studiert. „Dort sind die Menschen viel offener, liberaler als in Wien“, sagt Kahraman. „Das gilt aber auch für die Türken, die in Wien leben.“
Insbesondere türkische Frauen hätten hierzulande deutlich weniger Freiheiten als in der alten Heimat. Ela Dasdemir sieht das anders. „Wir gehen genauso fort wie die Männer auch.“Die 20jährige Jus-Studentin mit den auffälligen blonden Haaren sitzt gemeinsam mit Freunden in einer Shisha-Bar im ersten Bezirk.
Hier ist die Einrichtung moderner, der Tenor ein anderer: Was das Fortgehen betrifft, gäbe es keinen Unterschied zwischen Österreichern und Türken, sagt Ela. Wobei sie und ihre Freundin Rabia einräumen, dass sie in ihrem Bekanntenkreis auch andere Beispiele kennen würden. „Es kommt sehr stark auf das Elternhaus an“, sagt Ela. „Ich bin aber so erzogen worden, dass ich den Namen meiner Eltern keine Schande mache.“Passieren würde ohnehin nichts. „Unsere Männer beschützen uns ja.“Das hätte sich auch in ihrer Generation nicht geändert.
Was sich geändert hat, das sind die Startchancen für türkische Jugendliche in Österreich. Während in der ersten Generation 27 Prozent über einen Pflichtschulabschluss nicht hinausgekom- men sind, betrifft das in der zweiten Generation nur noch 18 Prozent
In der dritten Generation, so Soziologe Kenan Güngör, verschwinde der Unterschied praktisch komplett.
Oder um es in den Worten von Clubveranstalter Dikici zu sagen: „So wie wir uns in der Schule angleichen, so haben wir uns auch in der Partyszene angeglichen.“Nur eines werde sich auch in Zukunft nicht ändern: „Wenn’s um Fußball geht, werde ich immer zur Türkei helfen. Auch mit österreichischem Pass.“