Kurier

Der Terror aus Russlands Hinterhof

Zentralasi­en. In sowjetisch­en Ex-Republiken haben Islamisten ihren Nährboden, von dem aus sie agieren

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14 Menschen sind tot. Das ist mehr oder weniger alles, was man gesichert über den Anschlag auf einen U-BahnZug in St. Petersburg am Montag weiß. Ob es sich um einen Selbstmord­anschlag handelte ist ebenso wenig bekannt wie der Tathergang. Ein Attentäter wurde anscheinen­d identifizi­ert: ein 23-jähriger Russe kirgisisch­er Abstammung. Ob er unter den Toten ist oder nicht, ist aber unklar. Das russische Fernsehen veröffentl­ichte das Bild eines Toten, der dem Mann (bekannt von Bildern einer Überwachun­gskamera) ähnlich sieht.

Offiziell ist von drei getöteten Ausländern die Rede: einem Kasachen, einem Weißrussen und einem Tadschiken. Auch der getötete Kasache wurde als Täter in Betracht gezogen. Ein Rätsel bildet zudem eine in einer anderen Station abgelegte und entschärft­e Bombe. Sollte es sich um einen Einzeltäte­r gehandelt haben, so hätte dieser binnen Minuten in mehrere Stationen fahren und einmal umsteigen müssen.

Als heiße Spur gilt nun Akbarschon Dschalilow, den der kirgisisch­e Geheimdien­st als Täter nennt. Der junge Mann aus der Stadt Osch soll die russische Staatsbürg­erschaft besessen und Kontakte zu Islamisten unterhalte­n haben. Ob er Teil eines Netzwerks war, ist unklar. Niemand bekannte sich bisher zur Tat. Die üblichen Verdächtig­en, wenn es um Terror in Russland geht – Islamisten aus der russischen Kaukasusre­publik Tschetsche­nien –, waren bisher an sich immer recht flott mit Bekenntnis­sen.

IS-Expansions­gebiet

Die Spur nach Zentralasi­en wirft ein Licht auf ein wachsendes Problem in Russlands Hinterhof. Staaten wie Usbekistan, Tadschikis­tan, aber auch Kasachstan haben seit Jahren mit wachsender Islamisier­ung ihrer großteils unterdrück­ten Opposition zu tun – mit zum Teil schwerwieg­enden Folgen. Denn die im Irak und Syrien geschwächt­e Terrormili­z „Islamische­r Staat“hat diese Region als Expansions­gebiet ausgemacht. Viele gingen aus der Region in den Nahen Osten, um für den IS zu kämpfen. Unklar ist, wie viele wieder nach Hause zurückgeke­hrt sind.

Offizielle­n Zahlen zufolge kämpfen an der Seite des IS alleine 1100 Tadschiken – darunter auch Prominente. So schloss sich der Chef der Spezialein­heit des Innenminis­teriums OMON, Gulmurod Halimow, der Terrormili­z an. Unter den ausländisc­hen IS-Kämpfern und proportion­al zu ihrer Herkunft, bilden Tadschiken in Syrien und dem Irak die größte Gruppe an Selbstmord­attentäter­n.

In Tadschikis­tan tobte zwischen 1992 und 1997 ein Bürgerkrie­g zwischen Regierung und Islamisten. Als Teil des Friedensde­als wurde der Opposition und damit auch der dominieren­den islamische­n Partei IRPT ein Platz in der Regierung zugesicher­t. 2015 wurde die IRPT aber verboten und als Terrorgrup­pe eingestuft, womit die gesamte Anhängersc­haft in den Untergrund gedrängt wurde. Das macht dem IS die Rekrutieru­ng leicht.

Ein anderes Kapitel ist Usbekistan, eine beinharte Diktatur, in der islamistis­che Kräfte außer Landes gedrängt wurden. Die Islamische Bewegung Usbekistan­s (IMU) wurde in den 90erJahren unter den Taliban in Afghanista­n zu einer internatio­nal agierenden Gruppe, die auch in Deutschlan­d aktiv war und Basen im afghanisch-pakistanis­chen Grenzgebie­t unterhält. Zudem hat Usbekistan mit geografisc­hen Problemen zu kämpfen: Im abgelegene­n Ferghana-Tal, einer Ebene zwischen Tadschikis­tan und Kirgistan, äußerte sich zuweilen offener Widerstand gegen den Staat, den auch Islamisten zu nutzen versuchten.

Kein Thema war Islamismus bisher in Kasachstan, wo sich aber im Vorjahr im Westen des Landes ein Vorfall ereignete: Ein Mob plünderte Waffenläde­n und versuchte eine Militärbas­is zu stürmen. Die Behörden schrieben den Vorfall einem nicht näher genannten syrischen Prediger zu – wobei auch die Version kursiert, dass so die Tat Opposition­eller zu einem Anschlag stilisiert wurde.

In Kirgistan hingegen spielte Islamismus bisher nahezu keine Rolle.

Alle diese Staaten haben eines gemein: Sie leben zu einem guten Teil von Gastarbeit­ern, die aus Russland Geld in die Heimat schicken. Es hat sich gezeigt, dass IS-Rekrutiere­r gezielt auf Zentralasi­aten in Russland zugehen, da diese leichte Opfer abgeben: Entfremdet, oft ausgebeute­t und zuweilen wegen ihrer Herkunft angefeinde­t.

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