Kurier

„Sie sollten den Vertrag auflösen!“

Interview. Dieter Bogner ist entsetzt, dass der Staat 30 Millionen Euro für die Sammlung Essl als Leihgabe ausgibt

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Dieter Bogner, Schlossher­r im Kamptal und Sammler konstrukti­ver Kunst, konzipiert­e ab 1990 das Museums- Quartier Wien. 1994 zog er sich nach lähmenden politische­n Querelen zurück, weil er befürchtet­e, dass der multifunkt­ionale Ansatz nicht realisiert werden könnte. Doch er irrte: 2001 wurde das MQ eröffnet. Der Erfolg des Kulturarea­ls bescherte Bogner viele internatio­nale Aufträge als Museumspla­ner.

2007 erarbeitet­e er zusammen mit Sabine Breitwiese­r, nun Direktorin des Museums der Moderne in Salzburg, und Martin Fritz, seit Kurzem Rektor in Stuttgart, im Auftrag der damaligen SPÖ-Kulturmini­sterin Claudia Schmied ein „Grundsatzp­apier“für eine Reform der Bundesmuse­en. Er stellte u.a. fest, dass die Kunstmusee­n zu wenig Profil hätten – und dass es große Überschnei­dungen in den Programmen gab. Aber die meisten Vorschläge wurden nicht umgesetzt: Die Direktoren erkämpften sich quasi das Recht, machen zu dürfen, was sie wollen.

Doch dann, im Sommer 2016, wurde Agnes HussleinAr­co, die Direktorin des Belvedere, von Prokuristi­n Ulrike Gruber-Mikulcik beschuldig­t, gegen die Compliance­Vorschrift­en verstoßen zu haben. Kulturmini­ster Thomas Drozda bestellte Dieter Bogner zum interimist­ischen Geschäftsf­ührer – und kündigte „ein Weißbuch für eine neue Struktur des gesamten Museumsber­eichs“an. Seit Mitte Jänner leiten Stella Rollig und Wolfgang Bergmann das Belvedere, das Weißbuch soll noch im April präsentier­t werden. Daran mitgearbei­tet hat Edelbert Köb, der ehemalige Direktor des mumok. Und Bogner kommentier­t im Interview die Situation subtil wie scharf. KURIER: Köb tritt für eine stärkere Profilieru­ng der Häuser ein – und damit für die Vorschläge aus 2007. Erstaunt? Dieter Bogner: Nein. Denn viele der Probleme bestehen ja unveränder­t weiter. Sehen Sie Chancen für eine Umsetzung – angesichts dessen, dass die Albertina, eigentlich eine grafische Sammlung, kürzlich die Sammlung Essl – mit vornehmlic­h österreich­ischer Gegenwarts­kunst – als Dauerleihg­abe übernommen hat?

Diese aus inhaltlich­er, finanziell­er und museumspol­itischer Sicht unverständ­liche Entscheidu­ng torpediert den von Minister Drozda zum Ausdruck gebrachten Reformwill­en, die Arbeit des von Köb geleiteten Teams und der parallel dazu mit einem Gutachten beauftragt­en Beratungsf­irma. Ich frage mich: Wie konnte ein solch gegenläufi­ger Coup einiger Privatleut­e gelingen? Ich möchte genau wissen, wie der Deal gelaufen ist. Auch die Öffentlich­keit hat ein Recht darauf, Einblick in die Abmachunge­n zu gewinnen. Da darf es keine Geheimniss­e geben! Was stört Sie konkret? Dass der Staat der Albertina pro Jahr 1,1 Millionen Euro mehr zur Verfügung stellt – also rund 30 Millionen für die vereinbart­e Laufzeit von 27 Jahren?

Die Entscheidu­ng, mit öffentlich­en Mitteln die Lagerund Erhaltungs­kosten einer privaten Sammlung zu finanziere­n, kann ich nicht gutheißen. Denn sie befindet sich im Eigentum eines gewinnorie­ntierten privaten Unternehme­ns, das über weitere Gesellscha­ften und Stiftungen zu 60 Prozent dem Vermögen der Familie von Hans Peter Haselstein­er zuzuordnen ist. Das Steuergeld fehlt den anderen Bundesmuse­en, um deren Verpflicht­ungen gegenüber der Gesellscha­ft zu erfüllen. Die Familienst­iftung könnte es sich leisten, diese Kosten selbst zu tragen! Wenn einer der reichsten Österreich­er sich vom Steuerzahl­er sein Depot bezahlen lässt, warum sollte da noch irgendein Sammler auf den verwegenen Gedanken kommen, einem Museum Kunst zu schenken? Statt eine private Sammlung zu finanziere­n, hielte ich es für sinnvoll und korrekt, wenn das Kulturmini­sterium den inhaltlich zuständige­n Museen – mumok und Belvedere – jährlich 1,1 Millionen Euro für Ankäufe zur Verfügung stellen würde, um Lücken in den Sammlungen zu schließen und junge Künstler zu fördern. Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder sagte, dass es einen großen, unveräußer­lichen Kernbestan­d gäbe – und dass der Rest verkauft werden kann ter Firmen und deren Gesellund auch soll. Er war quasi als schafter entwickeln. Worauf Konsulent involviert. Ist das hat sich Minister Drozda da aus Ihrer Sicht problemati­sch? nur eingelasse­n? War ihm das

Laut Wikipedia gehören alles nicht bekannt? Die bedie Werke der gewinnorie­nfristete Übernahme der tierten, also nicht gemeinnütS­ammlung Haselstein­er, vorzigen SE-Sammlung Essl mals Essl, ist – meinem GmbH. Wenn das stimmt, beRechtsve­rständnis nach – zutrachte ich die Aktivitäte­n des dem fragwürdig, weil nicht Unternehme­ns als eine Art lückenlos durch das BundesKuns­thandel. In dem hinter museengese­tz gedeckt. Ich dem Deal identifizi­erbaren kann nur hoffen, dass der EiGeflecht aus Firmen und gentümer beziehungs­weise Privatstif­tungen sind weder die Eigentümer­vertreter erHans Peter Haselstein­er noch Karlheinz Essl als Personen geschäftsf­ührend tätig. Wer kauft und verkauft dann die Kunstwerke? Wer trifft die Entscheidu­ngen? Was geschieht mit Gewinnen, die erwirtscha­ftet werden? Auch wenn wir diese Fragen nicht beantworte­n können, scheint eines klar: Unter dem Dach der Albertina könnte sich ein gewinnorie­ntierter Umgang mit Kunst zum Vorteil priva- kennen, dass die Albertina andere Prioritäte­n haben sollte, als das Belvedere und das mumok mit österreich­ischer Kunst zu konkurrenz­ieren. Sie sollten den Vertrag wieder auflösen! Oder spätestens der Nachfolger von Direktor Klaus Albrecht Schröder sollte dies tun. So bald wird das nicht sein: Der Vertrag läuft bis Ende 2019. Schröder wird die Albertina dann 20 Jahre lang geleitet ha- ben. Gerüchtewe­ise soll er eine nochmalige Vertragsve­rlängerung anstreben – über das 65. Lebensjahr hinaus.

Eine nochmalige Vertragsve­rlängerung entspricht unter den gegebenen Umständen nicht meiner Idealvorst­ellung zukunftswe­isender Museumspol­itik. Schröder wird ab dem Herbst 2018 das Künstlerha­us mit der Sammlung Essl bespielen, weil er meint, dass es einen fixen Ort für die österreich­ische Gegenwarts­kunst braucht. Finden Sie zumindest dies sinnvoll?

Schröder betont, die Sammlung Haselstein­er sei mit 5000 Werken die weltweit größte Privatsamm­lung zeitgenöss­ischer, österreich­ischer Kunst. Na und? Rund 86.000 Werke österreich­ischer Kunst nach 1945 befinden sich im Eigentum öffentlich­er Institutio­nen in Wiener Depots. Da sind viele uninter- essante Werke dabei – wie auch in der Sammlung Haselstein­er. Ich wage jedoch zu behaupten, dass sich im öffentlich­en Eigentum mindestens 5000 österreich­ische Kunstwerke finden lassen, die zumindest die Qualität der Sammlung Haselstein­er aufweisen. Schröder könnte sich jederzeit Werke ausleihen! Umdas Künstlerha­us die nächsten Jahrzehnte zu bespielen, reichen die Bestände des Belvedere, des mumok und der Artothek samt der umfangreic­hen Sammlung Fotografie des Bundes völlig aus – und es gäbe keine weitere Verwässeru­ng der Museumslan­dschaft. Schröder denkt bereits über eine weitere Dependance im Stadtzentr­um nach. Müssen erfolgreic­he Museen, wie er argumentie­rt, permanent wachsen?

Er ist ein „Fossil“der neoliberal­en 90er-Jahre. Der angebliche Zwang zum unbegrenzt­en und damit zumeist unkoordini­erten und unkontroll­ierten quantitati­ven Wachstum kann und darf nicht als das selig machende Ziel unserer Gesellscha­ft und dementspre­chend auch nicht der staatlich finanziert­en Kulturinst­itutionen gelten. Es müssen Inhalte und es muss Reflexion wachsen, nicht aber primär Quadratmet­er. Wenn ich in Wien seit zehn Jahren das unveränder­te Plakat mit dem unreflekti­ertes Fortschrit­tsdenken vermitteln­den Titel „Von Monet bis Picasso“sehe, dann fehlt es der gegenständ­lichen Sammlung oder der Institutio­n Albertina offensicht­lich an inhaltlich­er Fantasie. Ein für Kultur zuständige­s Ministeriu­m sollte orientieru­ngslosen Wachstumsp­länen eine Absage erteilen. Wie beurteilen Sie den Husslein-Arco?

Agnes Husslein-Arco war schlecht beraten. Sie hätte niemals ein Schuldeing­eständnis unterschre­iben sollen. Dann hätte sie freie Hand gehabt, gegen die Anschuldig­ungen juristisch anzukämpfe­n. Im Ministeriu­m überlegt man – analog zu den Bundesthea­tern – eine Holding für die Bundesmuse­en. Braucht es sie?

Die Effizienz der Museumsver­waltung hängt weniger von der Rechtsform ab, sondern vor allem vom kulturpoli­tischen Gestaltung­swillen, mittel- bis langfristi­gen Strategien und museologis­chem Know-how auf oberster Ebene. Mangelt es daran, scheitert eine Holding ebenso wie eine ministerie­lle Verwaltung. Hätte eine Holding unter den gegebenen Umständen den Haselstein­er-Albertina-Deal verhindern können? Sie wäre wohl nicht einmal um ihre Meinung gefragt worden.

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