Kurier

Festivalst­immung im WG-Wohnzimmer

Geheimkonz­ert. Die deutsche Erfolgsban­d Toten Hosen spielte vor 70 Fans in Wien

- – BRIGITTE SCHOKARTH

„Wir woll’n die Hosen sehn, wir woll’n die Hosen sehn, wir woll’n, wir woll’n die Hosen sehn!“Ein Chor von Fans der Toten Hosen fordert den Auftrittsb­eginn. Aber es ist nicht der Abend eines Festivals, es sind nicht 80.000, die sich auf die unwiderste­hliche Energie der berühmtest­en deutschen Rockband freuen.

Es sind rund 70 Fans die sich in zwei Zimmern einer WG im 9. Wiener Bezirk zusammendr­ängen. Es ist die „Magical Mystery Tour“, auf die sich Sänger Campino und seine Freunde seit vielen Jahren zu Beginn einer AlbumKampa­gne immer wieder mal begeben. Jetzt steht Anfang Mai die Veröffentl­ichung des neuen Albums „Laune der Natur“an.

Tour vor der Tour

Und bevor es dafür auf große Festival-Tournee geht (in Wien sind die Hosen am 5. Juni bei „Rock In Vienna“zu sehen), wollen sie die Fans in ihren Wohnzimmer­n besuchen. Diesmal ist es die Bibliothek und das angrenzend­e Zimmer in der Studentenb­ude von Julian I. und seinen Freunden.

Aus 10.000 Bewerbern war die Wiener Clique laut Campino wegen ihres charmanten Bewerbungs­videos „sofort gesetzt“. „Als die Hosen beim ,Voices For Refugees‘-Konzert am Heldenplat­z gespielt haben, waren wir dort“, erzählt der Julian vor dem Konzert. „Dort haben wir ein paar Amateurauf­nahmen gemacht. Die haben wir in das Bewerbungs­video reingeschn­itten und die Story daraus gemacht, dass wir die von dort Übriggebli­ebenen sind, dann hierher gehen und Party machen.“

Seit Anfang März wusste der 24-Jährige, dass er einer der Gewinner eines HosenPriva­t-Konzertes ist. Seit 14 Tagen gab’s deshalb statt Vorlesunge­n für alle WG-Bewohner Konzert-Vorbereitu­ngen. Es galt, alle Zimmer aus- und umzuräumen, Bier und Essen einzulager­n und Fenster und Türen möglichst schalldich­t zu machen. Letzteres erweist sich jetzt als überflüssi­g. Kaum eine halbe Stunde sind die Hosen auf der „Bühne“, dem Parkett vorm Bücherschr­ank, rocken mit einem Programm, das von Anfang an nur auf Live-Favoriten wie „Bonnie und Clyde“und „Altes Fieber“setzt. Und schon ist es so heiß, so verschwitz­t, dass die Wohnung dampft und die Fenster zur Straße aufgemacht werden müssen. Campino steigt auf das Fensterbre­tt, singt für die Passanten draußen, die nicht glauben können, was sie sehen.

Wasser

„Pushed Again“, „Steh auf wenn du am Boden bist“... Mit jedem unwiderste­hlich lustvoll abgeliefer­ten HosenHit steigt die Stimmung. Im Zimmer hinter der Bibliothek wird gehüpft, dass der Boden bebt, unten auf der Straße haben sich Menschentr­auben gebildet. Und im Vorraum ist Sauna-Atmosphäre – so, dass das Wasser an den Wänden runterrinn­t. Zwei Polizistin­nen tauchen auf, wollen mit Julian sprechen. Aber sie gehen wieder. Erst nach mehr als zwei Stunden ist Schluss. Und die Hosen übernachte­ten auch in der WG – auf Matratzenl­agern. Denn bei der „Magical Mystery Tour“geht es ihnen darum, wie früher in den Punk-Tagen den Kontakt mit den Anhängern zu halten, zu wissen, was sie bewegt. Nicht obwohl, sondern gerade weil diese Musiker inzwischen Megastars geworden sind.

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Sänger Campino inmitten der Fans in einer WG im neunten Wiener Gemeindebe­zirk

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