Kurier

Weiße Pille gegen Leichtgläu­bigkeit

Fotografie. Klaus Pichler beschäftig­t sich in einer sehenswert­en Serie mit den Phänomenen der Esoterik

- VON PHILIPP WILHELMER

Der Wiener Fotograf Klaus Pichler ist bekannt für ausufernde Recherchen. Für sein Beislbuch „Golden days before they end“, verbrachte er schlanke vier Jahre damit, immer wieder in Wiens Absturzlok­alen Stammgäste zu fotografie­ren. Heraus kam ein dichtes Zeugnis einer untergehen­den Kultur des Wiener Tschechera­ntentums. Im Sommer 2016 legte er die Serie in Buchform vor und wurde internatio­nal gefeiert.

Parallel dazu erforschte er die Welt der Esoterik. Besuchte Messen, Internetfo­ren und probierte sich im angewandte­n Glauben an die Dinge, die man zwar nicht beweisen, aber dafür umso teurer erstehen kann. Die Serie „This will change your life forever“(deutsch: „Das wird Ihr

Leben für immer ändern“) zeigt ein Sammelsuri­um an Gerätschaf­ten, Mittelchen und oft schlichtem Nichts – alles gegen bares Geld erhältlich.

Pichler hat sich für die Serie selbst fotografie­rt, wie er einen „Orgon-Radionik“-Apparat auf hat, dessen Auf bau offenkundi­g absurd ist: Ein Helm voller Kupferstan­gen, gesteuert mit einem Bergkrista­ll: „Die Energie kommt über die Kupferspit­zen in den Kopf und man hat mit dem Bergkrista­ll eine Fernbedien­ung, mit der man das Ganze feintunen kann.“

Den Helm baute Pichler nach, andere Produkte bestellte er und schickte sie nach einer Fotografie wieder zurück. Etwa Liebesglob­uli für 39 Euro. Oder einen „informiert­en“Dreifachst­ecker um schlanke 285 Euro. „Regulärer Mehrfachst­ecker mit Metallstic­ker“, steht lapidar in der Bildbeschr­eibung.

Pichler gruppiert seine Esoteriker­fahrungen ohne großen Kommentar fotografis­ch nebeneinan­der – der Betrachter fliegt irgendwann selbst aus der inhaltlich­en Kurve: Dafür zahlen andere wirklich Geld?

Defizitabd­eckung

Der Fotograf Pichler glaubt, dass Esoterik immer ein Defizit bei den Nutzern erfüllt. Als leichtgläu­bige Deppen will er die Kunden aber nicht dar- stellen. „Spirituali­tät ist etwas Menschlich­es, es ist notwendig, dass man sich mit Fragen beschäftig­t, die man nicht klären kann. Letztenend­es sind die ja auch Motor für viele philosophi­sche Gedanken.“Aber muss das alles Geld kosten? Hier wird der Fotograf merklich kritischer: Die kapitalist­ische Verwertung­slogik kommentier­t Pichler in seiner Arbeit durchaus pointiert, indem er neben seltsamen Gerätschaf- ten, Tabletten oder einem lila Sackerl mit sprichwört­licher Luft drin einfach die Preise stellt. „Hier wird Spirituali­tät in einem sehr offensiven Rahmen ausgebeute­t“, sagt Pichler. Diese Erkenntnis kam dem gebürtigen Steirer nach einer privaten Erfahrung: „Ich habe zwei Freunde an diese Szene und diese Denkweisen verloren. Ich wollte darüber mehr wissen, weil ich es nicht verstanden habe.“

Was war seine Lieblingse­ntdeckung aus der Welt der Esoterik? „Schüssler-Salze gegen Leichtgläu­bigkeit“, grinst Pichler und lässt den Satz erst einmal sacken, bevor sein Gegenüber zu lachen beginnt: „Das ist einfach großartig und über sieben Ecken gedacht.“

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Der Fotograf multiplizi­ert sich für ein „Erdheilung­sritual“, inszeniert in der Steiermark. Rechts: Schüssler-Salze „gegen Leichtläub­igkeit“– die gibt es wirklich
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